JAHRESKREIS
26. WOCHE - FREITAG
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VERHŽRTET
NICHT EUER HERZ
Das Heute
Gottes und unser Heute in Einklang bringen.
Askese im Alltag.
Freiwilliges Suchen nach kleinen Überwindungen.
I. Die
Uferregion des Sees Genesaret, den die Einheimischen »das Auge Gottes= nannten,
geh”rte zur Zeit Jesu zu den dichtest besiedelten Gebieten des ganzen Landes,
denn der Fischreichtum des Sees, der im Altertum berhmt war, sicherte der
Bev”lkerung Nahrung und Einkommen.1 Viele ergreifende Begebenheiten im Leben des
Herrn - fredige wie betrübliche - haben sich hier zugetragen. Im heutigen
Evangelium hören wir die Klage:
Weh dir,
Chorazin! Weh Dir, Betsaida! Wenn einst in Tyrus und Sidon die Wunder geschehen
wären, die bei euch geschehen sind - man hätte dort in Sack und Asche Buße
getan. (...) Und du, Kafarnaum, meinst du etwa, du wirst bis zum Himmel erhoben?
Nein, in die Unterwelt wirst du hinabgeworfen.
Der Herr hatte den Samen reichlich ausgestreut, doch er brachte nur karge
Frucht: der Boden - die Herzen der Menschen - war zu steinig.
Heute,
wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet nicht euer Herz,
heißt es in der Liturgie vom Tage. Gott spricht zu allen Menschen aller Zeiten.
Sein Heute vergeht nicht mit dem Lauf der Zeit, es dauert durch die Jahrhunderte
fort und erreicht jeden Menschen in seinem eigenen Heute, in seiner Lebenszeit.
Was gäbe es wichtigeres, als das Heute Gottes und unser Heute in Einklang zu
bringen? Das Gegenteil ist, wie in der Heiligen Schrift oft erwähnt,
jene Härte und Verstocktheit des Herzens, die der Herr im heutigen Evangelium
beklagt. Manche Widerstände gegen den Glauben haben ihren Ursprung nicht in der
Theorie, im Denken, sondern in der fehlenden Bereitschaft des Willens, falsche
Verhaltensweisen und Lebenshaltungen aufzugeben. Deshalb ist es so wichtig,
durch Askese den Willen für die Anregungen Gottes empfänglich zu machen. »Umkehr
und Erneuerung unseres Lebens sind uns das ganze Jahr über aufgetragen. Sie
müssen unseren Alltag prägen in Ehe und Familie, in Arbeit und Freizeit, in
Gesundheit und Krankheit. Daran erinnert das ganze Jahr hindurch der
Bußcharakter des Freitags. Das Freitagsopfer - als Enthaltung von Fleischspeisen
oder als Verzicht in anderen Formen - kennzeichnet allwöchentlich für uns
Katholiken den Tag, an dem unser Erlöser gestorben ist, und bereitet uns vor auf
den Sonntag, den die Kirche seit den ältesten Zeiten als den Tag der
Auferstehung heiliggehalten hat.«5
Die
gewollte Entsagung, wie sie die christliche Spiritualität versteht, verhindert,
daß das Herz sich verhärtet. Wir bereiten so den Boden für das Wirken Gottes in
der Seele nach der Art des Bauern vor, der das Unkraut - Neid, Selbstsucht,
geistliche Trägheit - ausjätet.
Tötet, was irdisch an euch ist: die Unzucht, die Schamlosigkeit, die
Leidenschaft, die bösen Begierden und die Habsucht, die ein Götzendienst ist,
schreibt Paulus an die Galater. Als Begründung gibt er an:
denn ihr
habt den alten Menschen mit seinen Taten abgelegt
Die Askese, die in der Abtötung konkret wird, hat nur einen negativen Klang. In
der Tat regeneriert sie die Seele, bereitet sie für den Empfang göttlicher
Anregungen und Eingebungen vor und öffnet sie für Christi Leiden, das er als
Sühne für unsere Sünden auf sich lud. Außerdem läßt sie uns - gebend wie nehmend
- die Kraft der Gemeinschaft der Heiligen spüren.
Askese
und Abtötung sind ein integraler Bestandteil des menschlichen Lebens. Überall
finden sich Gelegenheiten dazu, angefangen bei den täglichen Widrigkeiten.
Meistens handelt es sich dabei um kleine Dinge: eine Erkältung, die unsere
Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, Unannehmlichkeiten im großstädtischen
Verkehr, der schwierige Charakter eines Mitarbeiters. Das »Ich kann doch nichts
dafür« mag ein erster Versuch sein, damit fertig zu werden. Doch oft bleiben
Ärger und Mißmut zurück. Besinnen wir uns jedoch auf unsere Gotteskindschaft,
dann wird es möglich, gefaßt und beherrscht auf solche Bagatellen zu reagieren,
weil wir Gelegenheiten darin sehen, uns dem Herrn zu nähern. Wer sich darin
einübt, gewinnt an innerer Freiheit, Freude und Gelassenheit. Umgekehrt ist das
gereizte Reagieren auf solche Unannehmlichkeiten nicht selten Ursache für Unmut
und Verdrossenheit. Wie oft müssen wir beim Zurückblicken auf den verlaufenen
Tag feststellen, daß er ganz von einer mißmutigen Stimmung geprägt war. Fragen
wir uns dann, wieso finden wir meistens nichts als Lappalien, eine Häufung von
Winzigkeiten, die wir nicht auf Gott hin anzugehen vermochten. Vielleicht
gelingt es uns, für den nächsten Tag daraus zu lernen und schon jetzt die
kleinen Mißlichkeiten von morgen sportlich als das anzunehmen, was sie sind:
leise Erinnerungen an das Kreuz und Gelegenheiten, uns zu überwinden.
III. Ein
weiteres Feld der täglichen Abtötung sind unsere Pflichten. In ihnen wird Tag
für Tag der Wille Gottes für uns greifbar konkret. Sie bilden den Stoff unserer
Heiligkeit im Heute. Josemaría Escrivá schreibt an seine geistlichen Kinder
Worte, die für jeden Christen gelten: »Wir werden nicht heilig sein, wenn wir
uns nicht mit Christus am Kreuz vereinigen: es gibt keine Heiligkeit ohne Kreuz,
ohne Abtötung. Am ehesten werden wir diese Abtötung in den normalen täglichen
Angelegenheiten finden: in der angespannten Arbeit, die wir ausdauernd und
ordentlich tun; weil wir wissen, daß der echte Opfergeist sich in der
Beharrlichkeit zeigt, die begonnene Arbeit so vollkommen wie möglich zu
vollenden; in der Pünktlichkeit, mit der wir den Tag über die >heroischen
Minuten< meistern; in der Pflege der Gegenstände, die wir besitzen und benutzen;
in dem Eifer zu dienen, der uns die kleinsten Pflichten mit Gewissenhaftigkeit
erfüllen läßt; und in den winzigen Liebesbeweisen, mit denen wir den Weg der
Heiligkeit in der Welt für alle liebenswert machen; ein Lächeln kann manchmal
der schönste Beweis unseres Bußgeistes sein (...). Nicht den Geist der Sühne,
meine Kinder, hat dagegen derjenige, der einige Tage lang große Opfer auf sich
nimmt, aber es ansonsten unterläßt, sich zu überwinden. Der besitzt den Geist
der Buße, der sich jeden Tag selbst zu besiegen vermag und der dem Herrn, ohne
Getue, die tausend kleinen Dinge darbringt.«8
Die
Annahme der kleinen Alltagsplagen und das Bemühen um eine gute Erfüllung unserer
Pflichten sind die Chancen, die der Alltag uns für die Askese vorgibt. Wir
können uns verweigern; wir können aber auch großzügig antworten, etwa indem wir
bewußt nach kleinen Überwindungen suchen.
Wir
wollen Gott näherkommen, im Gebet ergebener sein, in der Familie herzlicher, bei
der Arbeit wirksamer, den Freunden gegenüber hilfsbereiter. Das alles geht kaum
ohne einen erfinderischen Geist. Er kann uns helfen, eine feste Zeit für unser
Beten vorzusehen, auch wenn uns Disziplin vielleicht wenig liegt; uns
anzubieten, diese oder jene häusliche Verrichtung, die uns gegen den Strich
geht, zu übernehmen; gleich zu Beginn unserer Arbeit diejenige Aufgabe
anzupacken, die wir, weil sie so schwierig ist, gern einem anderen zugeschoben
hätten; oder dem geplagten Freund zu sagen, daß wir ihm gern bei der
Gartenarbeit helfen. Das alles ist dann ein Gewinn für uns und für die anderen.
Und nicht zuletzt eine leise Werbung für eine freundlichere Sicht der oft so
mißverstandenen »Abtötung«.
vgl. G.Kroll,
Auf den
Spuren Jesu,
Stuttgart 1988, S.203. -
10,13.15. -
Ruf vor
dem Evangelium,
vgl.
,
7d.8a. -
vgl.
4,21;
9,18. -
Die deutschen Bischöfe,
Kirchliche Bußpraxis.
-
3,5. -
3,9. -
J.Escrivá,
Brief
24.3.1930,
vgl. P.Berglar,
Opus Dei
- Leben und Werk des Gründers Josemaría Escrivá,
Köln 1992, S.90-91.