JAHRESKREIS
28. WOCHE - MITTWOCH
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DIE
VERSUCHUNG UND DAS BÖSE
Die
Versuchung als Gelegenheit, Gott bewußter zu lieben.
Der Herrscher dieser Welt und seine Helfer.
Zuversicht und Wachsamkeit.
I.
Und führe
uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen,
lautet die letzte Bitte des Vaterunser.
Nachdem
wir den Herrn gebeten haben, er möge uns die Sünden vergeben, bitten wir ihn
dann um seine Hilfe, damit wir ihn nicht mehr beleidigen und im Kampfe bestehen.
Mit Worten des heiligen Kirchenvaters Petrus Chrysologus: »Bitten wir ihn, er
möge uns nicht uns selbst überlassen, sondern uns mit väterlicher Güte leiten
und uns mit himmlischer Sanftmut auf den Weg zum Leben führen.
Erlöse
uns von dem Bösen.
Von welchem Bösen?
Vom
Teufel, der Ursprung alles Bösen ist.«1
Wir haben
nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern (...) gegen die
Beherrscher dieser finsteren Welt, gegen die bösen Geister.
Papst Johannes Paul II. griff diese Worte des Apostels Paulus an die Christen in
Ephesus bei der Seligsprechung von Pater Rupert Mayer in München auf: »Es gibt
Zeiten, in denen die Existenz des Bösen unter den Menschen in der Welt in einer
besonderen Weise in Erscheinung tritt. Dann wird noch offenkundiger, daß die
Mächte der Finsternis, die in den Menschen und durch die Menschen wirken, größer
sind als der Mensch. Sie übersteigen ihn, sie kommen von außen über ihn. Der
heutige Mensch scheint dieses Problem fast nicht sehen zu wollen. Er tut alles,
um die Existenz jener >Beherrscher dieser finsteren Welt<, jene >listigen
Anschläge des Teufels<, von denen der Epheserbrief spricht, aus dem allgemeinen
Bewußtsein zu verbannen.
Dennoch
gibt es solche Zeiten in der Geschichte, in denen diese - nur widerwillig
angenommene - Wahrheit der Offenbarung und des christlichen Glaubens ihre volle
Ausdruckskraft und fast handgreifliche Bestätigung findet.«3
Jesus
wurde versucht. Er ließ dies zu, damit wir auch hierin auf ihn schauen können:
Wir haben ja nicht einen Hohenpriester, der nicht mitfühlen könnte mit unserer
Schwäche, sondern einen, der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist,
aber nicht gesündigt hat.
Versuchungen werden immer unseren Weg begleiten. Sie können uns auch zu Zeiten
bedrängen, da wir die Entschlossenheit zur Nachfolge besonders tief empfinden.
Die Taufgnade wird durch unser Ja zum Willen Gottes, der sich in inneren
Regungen und Eingebungen kundtut, immer fester in uns verankert; dennoch wird
sie bis zu unserem letzten Atemzug der Bedrohung des Bösen ausgesetzt bleiben.
Aber
Gott ist
treu; er wird nicht zulassen, daß ihr über eure Kräfte hinaus versucht werdet.
Er wird euch in der Versuchung einen Ausweg schaffen, so daß ihr sie bestehen
könnt5
Mitten
in unserer Gefährdung erfahren wir also eine Sicherheit, die nur von Gott kommen
kann. Wir wissen, daß wir siegen können, aber ebenso wissen wir, daß wir klug
und wachsam sein müssen, indem wir die Gelegenheiten zur Sünde meiden und uns um
die nötigen Hilfen bemühen. Im Katechismus des Konzils von Trient heißt es:
»Wenn aber einer die Entschuldigung bringt, er sei durch die Schwäche seiner
Natur gehindert, Gott zu lieben, so ist er zu belehren, daß Gott, welcher die
Liebe verlangt, die Kraft der Liebe dem Herzen einpflanzt (
5,5) durch seinen Heiligen Geist; dieser gute Geist aber wird denen gegeben,
welche den himmlischen Vater darum bitten (vgl.
9,13). Deshalb betet der heilige Augustinus: >Gib, was du forderst, und fordere,
was du willst<.
Weil uns
also Gottes Hilfe stets nahe ist, (...) braucht sich niemand durch die
Schwierigkeit der Sache zurückschrecken zu lassen; denn dem Liebenden ist nichts
schwer.«6
Weder die
Vermessenheit des Übermütigen noch die Beklommenheit des Verzagten geben uns
Halt, nur die gelassene Art der Kinder Gottes: »Werde nicht unruhig, wenn du bei
der Betrachtung der Herrlichkeit des übernatürlichen Lebens jene andere Stimme
vernimmst - tiefinnen, einschmeichelnd -, die des alten Menschen.
Das ist
der >todbringende Leib<, der nach seinen verlorenen Rechten ruft ... Die Gnade
genügt dir.
Sei treu
und du siegst.«7
II.
Versuchen bedeutet Testen, Prüfen. Durch die Versuchung wird die Tugend auf die
Probe gestellt, die Beständigkeit im Guten erprobt, die Treue gefestigt. Die
Geschichte Abrahams zeigt, wie Gott einen Menschen prüfen kann
und ihn dadurch seine Standhaftigkeit erfahren läßt.
Die
Versuchung ist in sich nicht schlecht, eher ist sie eine Gelegenheit, unsere
Liebe zu Gott unter Beweis zu stellen und - wachsend an Gnade und Tugenden - die
Entscheidung für ihn bewußter zu treffen:
Glücklich
der Mann, der in der Versuchung standhält. Denn wenn er sich bewährt hat, wird
er den Kranz des Lebens erhalten, der denen verheißen ist, die Gott lieben.9
Aber
Versuchung bedeutet auch, daß Menschen und Dinge nicht nur Prüfstein unserer
Gottbezogenheit sind, sondern zu Stolpersteinen auf unserem Weg zu Gott werden
können. Sie können uns zu Fall bringen, weil unsere Natur durch die Ursünde
geschwächt und wund ist.
»Gegen
das gesamte Zeugnis der Schöpfung und der mit ihr verbundenen Heilsökonomie ist
der Geist der Finsternis (vgl.
6,12;
22,53) dazu fähig, Gott als Feind seines eigenen Geschöpfes hinzustellen und vor
allem als Feind des Menschen, als Quelle von Gefahr und Bedrohung für den
Menschen. Auf diese Weise wird vom Satan in die Seele des Menschen der Keim des
Widerstandes gegen den eingepflanzt, der als Feind des Menschen >von Anbeginn<
betrachtet werden soll - und nicht als Vater.
Der
Mensch wird herausgefordert, der Gegner Gottes zu werden!«10 Der Apostel Petrus
ermahnt uns: Euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher
und sucht, wen er verschlingen kann.11
Wenn
Jesus vom Teufel als
dem
Herrscher dieser Welt
spricht, erinnert er uns daran, daß Gottes Schöpfung auch zur Versuchung werden
kann. Denn der Teufel will uns anstiften, den Gebrauch des Geschaffenen vom
Willen des Schöpfers zu trennen.
erscheint dann als autonom. Der Mensch wird taub für die Eingebungen Gottes und
versessen auf materielle Güter oder irdische Genüße. Eigensucht, Eitelkeit,
Wohlstand, Geld und Lust haben dann das Sagen. Christliche Verhaltensweisen -
Loslösung, Zucht und Maß, Askese - erscheinen als Torheit.
Und doch
erfahren wir nicht selten die Versuchung wie einen Lichtstrahl, der urplötzlich
seelische Tiefen erleuchtet - dunkle Winkel wie unerkannte Heilsquellen. Sie
enthüllt Schichten, die uns kaum bewußt waren: verborgenen Neid, schwelende
Besitzgier, animalischen Sinnengenuß, vergiftenden Hochmut ... Aber ebenso setzt
die Versuchung Kräfte frei, die wir nicht ahnten: die Fähigkeit, Opfer zu
bringen, den Willen, anständig zu sein, die Bereitschaft, aus Liebe zu Gott
irdische Nachteile in Kauf zu nehmen. Wir erfahren unsere Schwäche und unsere
Stärke. Wir lernen, unsere Mitmenschen und ihre inneren Kämpfe zu verstehen. Das
Nein zu einer Versuchung gegen den Glauben läßt uns im Glauben wachsen; der
Widerstand gegen den Wunsch, sich an übler Nachrede zu beteiligen, festigt den
Sinn für Wahrheit und Gerechtigkeit.
III. Im
Kampf gegen die Versuchung erfahren wir, daß wir aus uns nichts vermögen. Wir
entdecken dann sehr hautnah die Notwendigkeit des Gebetes und verlassen uns auf
das Wort des Herrn:
Habt Mut:
Ich habe die Welt besiegt.
Mit dem Apostel Paulus sagen wir:
Omnia possum in eo qui me confortat - Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft
gibt
Denn:
Dominus
illuminatio mea et salus mea, quem timebo? - Der Herr ist mein Licht und mein
Heil: Vor wem sollte ich mich fürchten? (...) Mag ein Heer mich belagern: Mein
Herz wird nicht verzagen. Mag Krieg gegen mich toben: Ich bleibe dennoch voll
Zuversicht.15
Die
Zuversicht ersetzt natürlich die nötige Wachsamkeit nicht, die ihre Kraft aus
den regelmäßigen Zeiten des Gebetes erhält - unabhängig davon, ob wir in Not
sind oder nicht. Sie schützt uns vor der Lauheit, dem Nährboden vieler
Versuchungen. Askese, Verzicht, Opfer halten uns wach und erleichtern es uns,
selbst scheinbar harmlose Gelegenheiten zur Sünde entschlossen zu fliehen.
Entschiedener Arbeitswille und das Ernstnehmen unserer Pflichten können uns die
Versuchung vom Leibe halten, denn dadurch wachsen wir an Beständigkeit. In der »Nachfolge
Christi« des Thomas von Kempen heißt es: »Die Unbeständigkeit des Menschen und
sein geringes Gottvertrauen sind der Anfang und der Ursprung aller Versuchungen
zum Bösen.
Denn wie
ein Schiff ohne Steuermann von den Wellen hin und her getrieben wird, so wird
ein schwacher Mensch, der seinen Vorsatz aufgegeben und das Vertrauen zu Gott
verloren hat, von allerlei Versuchungen hin und her geworfen.«16
Wir
verlassen uns auf die Fürsprache Unserer Lieben Frau, die wir als »Zuflucht der
Sünder« anrufen, und auf die mächtige Hilfe der heiligen Engel, die nach dem
Willen Gottes unsere Beschützer in der Not sind: Denn er befiehlt seinen
Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen dich auf ihren Händen,
damit dein Fuß nicht an einen Stein
stößt17
Petrus Chrysologus,
67. -
6,10-12. -
Johannes Paul II.,
Ansprache
in München,
3.5.1987. -
4,15. -
10,13. -
Der
römische Katechismus,
III,1,7. -
J.Escrivá,
,
Nr.707. -
vgl.
22,1-9. -
1,12. -
Johannes Paul II., Enz.
Dominum
et vivificantem,
38. -
5,8. -
12,31;14,30;16,11. -
16,33. -
4,13. -
27,1.3. -
Thomas von Kempen,
Nachfolge
Christi,
I,13,5. -
91,11-12.