JAHRESKREIS
28. WOCHE - DONNERSTAG
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AUSERWÄHLT VON EWIGKEIT HER
Gott ruft
jeden bei seinem Namen.
Die Berufung: Licht, Antwort, Kraft.
Beharrlichkeit: Gnade und Mitwirken.
I. Vom Gefängnis aus schreibt der
Apostel Paulus an die Epheser. Obwohl einsam und verlassen, dankt er
überschwenglich für all die Gaben, die Gott ihm geschenkt hat, und besonders für
die Gabe der Berufung. Er sieht sie als ein Auserwähltsein von Ewigkeit her,
durch das der
Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus jeden zur Gemeinschaft
mit ihm und zur Ausbreitung seines Reiches auf Erden ruft.
Denn in ihm hat er uns erwählt vor
der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott; er hat
uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus
Christus und zu ihm zu gelangen nach seinem gnädigen Willen, zum Lob seiner
herrlichen Gnade. Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn.1
»Die hohe Berufung des Menschen«
beruht darauf, heißt es in der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt
von heute, »daß
etwas wie ein göttlicher Same in ihn eingesenkt ist.«2
Berufung ist »ein
von Ewigkeit her zugedachtes und erteiltes Geschenk Gottes an den Menschen.
Gott will für diesen konkreten Menschen einen bestimmten Weg des Warum und Wozu
seines Lebens im Geflecht der geschichtlichen Ereignisse und Erfahrungen, die im
Licht der Gnade gerade als Zeichen erkannt werden.«3 Wir sind also nicht Kinder
eines blinden Schicksals, sondern der väterlichen Vorsehung Gottes, der uns
durch die Salbung der Taufe Anteil gibt an seinem Leben: Gott aber, der uns
und euch in der Treue zu Christusfesligt und der uns alle gesalbt hat, er
ist es auch, der
uns sein Siegel aufgedrückt und als ersten Anteil (am verheißenen Heil) den
Geist in unser Herz gegeben hat.4
Innerhalb der grundlegenden Gleichheit
der Berufung zur Heiligkeit und zum Apostolat erhält der Ruf Gottes verschiedene
Aussprägungen, die die Situation des einzelnen konkretisieren. Die meisten ruft
er zu einem Leben inmitten der Welt, damit sie das Irdische von innen her
gestalten und auf ihn hin ausrichten. Von anderen - wenigen im Verhältnis zur
Gesamtzahl der Getauften - erwartet er die Abkehr von der Welt als öffentliches
Zeugnis gottgeweihter Menschen. Der Herr läßt uns Schritt für Schritt,
eindringlich, sanft und differenziert seinen Willen, unseren ganz persönlichen
Weg zu ihm, erkennen. Im Apostolischen Schreiben »Christifideles laici« sagt
Papst Johannes Paul II.: »Gott hat von Ewigkeit her an uns gedacht und uns als
unwiederholbare, einmalige Menschen geliebt. Er hat einen jeden von uns bei
seinem Namen gerufen, wie der gute Hirt, der >die Schafe, die ihm gehören,
einzeln beim Namen< ruft (Joh
10,3). Aber der ewige Plan Gottes enthüllt sich einem jeden von uns erst im
geschichtlichen Ablauf unseres Lebens und seiner Ereignisse nur schrittweise, in
einem gewissen Sinn Tag für Tag.
Die
Erkenntnis des konkreten Willens des Herrn über unser Leben erfordert
aufmerksames, gehorsames und bereites Hören auf das Wort Gottes und der Kirche,
kindliches und ständiges Beten, Rückhalt in einer weisen und liebevollen
geistlichen Führung, gläubige Deutung der empfangenen Gaben und Talente und
zugleich der verschiedenen sozialen und historischen Situationen, in denen man
steht.«5
Wenn wir treu sind und hellhörig für
die Eingebungen des Heiligen Geistes, entdecken wir in jeder Situation unseres
Lebens die gottgemäße Antwort.
II. Die
Berufung ist eine unermeßlich wertvolle Gabe Gottes, für die wir ihm stets
danken sollen. Sie gleicht einem Licht, das den Weg erleuchtet und uns die
Menschen, die Arbeit, die Umstände des Lebens in ihm sehen läßt. Ohne dieses
Licht, ohne die klare Einsicht, daß es einen Willen Gottes für uns gibt, wären
wir unseren Launen und dem Auf und Ab der Ereignisse blind ausgeliefert. Die
Berufung ist der Bezugspunkt, der uns die verschiedenen Situationen unseres
Lebens zu verstehen und einzuordnen ermöglicht. Wir sehen dann, wer Gott ist,
wer wir sind und wie wir unsere Aufgaben in der Welt auf Gott hin ausrichten
können. Aber der Ruf Gottes erleuchtet nicht nur; er stärkt uns nicht minder,
damit wir den erkannten Weg auch gehen können.
Wenn der
Ruf Gottes etwas Persönliches ist - er ruft uns
beim
Namen
-, dann gilt es, persönlich zu antworten und in einen lebendigen Austausch mit
ihm zu treten. Unser Leben kreist dann um Christus als Mitte unseres Seins, und
alles bewegt sich in seinem göttlichen Kraftfeld: unsere täglichen
Beschäftigungen - zu Hause oder am Arbeitsplatz - sind dann nicht mehr
farblos-langweilig; in unseren Mitmenschen sehen wir geliebte Gotteskinder und
Brüder und Schwestern mit einer unantastbaren Würde.
Wie aber
erkennen wir, was Gott von uns will? Sein Wille kann sich wie für Paulus auf
seinem Weg nach Damaskus urplötzlich und in gleißendem Licht zeigen. Er kann
aber auch, wie beim heiligen Josef, schrittweise und verborgen im Alltag
sichtbar werden. »Es geht aber nicht darum, lediglich zu
,
was Gott von uns, von jedem einzelnen in den verschiedenen Situationen des
Lebens will. Es geht darum, das, was Gott will, zu
.
Daran erinnert uns das Wort Marias, der Mutter, an die Diener in Kana: >Was er
euch sagt, das tut< (
2,5). Wir müssen fähig und immer fähiger werden, nach dem Willen Gottes zu
handeln. (...) Diese wunderbare und zugleich anspruchsvolle Aufgabe erwartet
ausnahmslos alle Laien, alle Christen.
Sie
sollen die Reichtümer des Glaubens und der Taufe immer mehr erkennen und in der
wachsenden Fülle leben.«6 Dies Tag für Tag, mit Augen für das Große, das sich im
Kleinen verbirgt, und im Gespür für die vielfachen Hilfen, die der Herr uns
schenkt.
III.
Elegit
nos in ipso ante mundi constitutionem
... Schon vor Bestehen der Welt hat der Herr uns auserwählt und unsere Sendung
in seiner Schöpfung bestimmt. Der Grund unserer Hoffnung auf die Beharrlichkeit
bis ans Ende unseres Weges ist die Treue Gottes - er nimmt seinen Ruf und seine
Gnade nicht zurück. Der heilige Franz von Sales schreibt: »Wie eine liebevolle
Mutter, die ihr kleines Kind führt, ihm hilft und es stützt, wo es notwendig
ist, es auf ungefährlichem und ebenem Weg ein paar Schritte allein tun läßt, es
bald an der Hand faßt, dann wieder es trägt - so sorgt der Herr ständig für
seine Kinder, nämlich für jene, die in der Liebe leben. Durch den Mund des
Propheten Isaias (41,13) spricht er: >Ich bin der Herr, dein Gott, der deine
Rechte erfaßt, der zu dir spricht: Fürchte dich nicht, ich bin dein Helfer.<
Deshalb sollen wir guten Mutes sein und fest auf Gott und seine Hilfe vertrauen.
Denn wenn wir uns der Gnade nicht verschließen, wird er das gute Werk, das er in
uns begonnen - unser Heil - vollenden, er, der das Wollen und das Vollbringen
gibt.«7
Der
heilige und erfahrene Seelenführer fährt dann fort: »Die Beharrlichkeit ist die
kostbarste Gabe, die wir in diesem Leben erhoffen dürfen, und wir können sie nur
von Gott empfangen.
Deshalb
sollen wir ihn unablässig darum bitten und uns der Mittel bedienen, die er dafür
bestimmt hat: Gebet, Fasten, Almosengeben, Empfang der heiligen Sakramente,
Umgang mit guten Menschen, Anhören und Lesen des Wortes Gottes und frommer
Bücher.«8
Annahme
der Berufung - Berufung zur Heiligkeit - bedeutet Annahme der mit ihr
verbundenen Sendung: Berufung zum Apostolat, zum Zeugnis. Für die meisten von
uns verwirklicht sie sich in der Welt, sie ist der gottgewollte Ort unserer
Bewährung in der Liebe zu Gott und zu den Menschen.
Im
Ereignis der Berufung jedes einzelnen läßt Christus »den Widerschein seines
Lichtes auf die ganze Welt fallen, vor allem durch die Heilung und Hebung der
menschlichen Personwürde, durch die Festigung des menschlichen
Gemeinschaftsgefüges, durch die Erfüllung des alltäglichen menschlichen
Schaffens mit tieferer Sinnhaftigkeit und Bedeutung.«8
Bitten
wir Maria, unsere Mutter, um die Gnade der Beharrlichkeit auf dem Weg, den der
Herr uns gezeigt hat, und ebenso um die Gnade einer tagtäglichen Treue im Großen
wie im Kleinen, im Schwierigen wie im Leichten.
1,4-6. -
II.Vat.Konz., Konst.
Gaudium
et spes,
3. -
P.Rodriguez,
Die Welt
als sittliche Aufgabe,
in: Die Person im Anspruch sittlicher Normen, St.Augustin 1981, S.94. -
1,21-22. -
Johannes Paul II., Apost.Schreiben
Christifideles laici,
30.12.88, 58. -
ebd. -
Franz von Sales,
Über die
Gottesliebe,
III,4. -
ebd. -
Johannes Paul II., Enz.
Redemptor
hominis,
40.