JAHRESKREIS
13. WOCHE - DONNERSTAG
7
EIN
FORTDAUERNDES OPFER
Abraham,
Isaak und Christus.
Anbetung und Danksagung.
Opfer durch die Zeiten.
I. In der
Lesung aus dem Buch Genesis1 geht es um die entscheidende Stunde im Leben
Abrahams, um seine Bewährung im Glauben. Jahwe hatte ihm einmal verheißen: Sieh
doch zum Himmel hinauf, und zähl die Sterne, wenn du sie zählen kannst. Und er
sprach zu ihm: So zahlreich werden deine Nachkommen sein.2 Abraham war schon
sehr alt und seine Frau unfruchtbar; aber gegen alle Hoffnung hat er voll
Hoffnung geglaubt, daß er der Vater vieler Völker werde3.
Als Isaak
geboren wurde, schien Gottes Verheißung greifbar nahe. Aber eines Tages befahl
Gott dem Abraham: Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebst, Isaak, und
geh in das Land Morija, und bringe ihn dort auf einem der Berge, den ich dir
nenne, als Brandopfer dar. Wir kennen den Ausgang des Geschehens, denn das Buch
Genesis greift voraus und sagt, Gott wollte dadurch Abrahams Glauben auf die
Probe stellen. Abraham selbst hörte nur die Forderung und gehorchte. Der Bericht
steigert die Dramatik des Geschehens, indem er die einzelnen Schritte bis zum
entscheidenden Augenblick schildert: der Patriarch sattelte seinen Esel, holte
seine beiden Jungknechte und seinen Sohn Isaak, spaltete Holz zum Opfer und
machte sich auf den Weg zu dem Ort, den Gott ihm genannt hatte. Dann kommt der
entscheidende Moment: schon streckte Abraham seine Hand aus und nahm das Messer,
um seinen Sohn zu schlachten, da vernahm er die rettende Stimme. Nicht das Opfer
des Sohnes wollte Gott, sondern Abrahams Glaubensgehorsam - geopfert wurde ein
Widder, der sich hinter ihm mit seinen Hörnern im Gestrüpp verfangen hatte. »So
öffnet sich in diesem Uropfer Abrahams der Blick durch die Jahrtausende hin;
dies Lamm im Dornengestrüpp, das Gott ihm schenkt, damit er schenken könne, ist
gleichsam der erste Vorbote jenes Lammes Jesus Christus, das die Dornenkrone
unserer Schuld trägt; das in die Dornen der Weltgeschichte eingetreten ist, um
uns zu geben, was wir geben dürfen. (...) Auch als Abraham unterwegs war und von
dem Geheimnis des Widders noch nicht wußte, konnte er vertrauenden Herzens zu
Isaak sagen: Deus providebit - Gott wird Sorge tragen. Weil er diesen Gott
kannte, deswegen wußte er auch in der Nacht seiner Unbegreiflichkeit, daß er ein
Liebender ist; deswegen konnte er auch da, wo nichts mehr zu begreifen war, auf
ihn setzen und wissen, daß gerade der, der ihn scheinbar bedrängte, gerade so
der wahrhaft Liebende war. In solchem Hineinschreiten, in dem sein Herz weit
wurde, in dem er in den Abgrund des Vertrauens hineintrat und in der Nacht des
unverstandenen Gottes es mit ihm wagte, da wurde er erst fähig, den Widder zu
empfangen; den Gott zu begreifen, der schenkt, damit wir schenken können.«4 Weil
du das getan hast und deinen einzigen Sohn mir nicht vorenthalten hast, will ich
dir Segen schenken in Fülle (...). Segnen sollen sich mit deinen Nachkommen alle
Völker der Erde, weil du auf meine Stimme gehört hast.
= 4 Weil
du das getan hast und deinen einzigen Sohn mir nicht vorenthalten hast, will ich
dir Segen schenken in Fülle (...). Segnen sollen sich mit deinen Nachkommen alle
Völker der Erde, weil du auf meine Stimme gehört hast.Die Kirchenväter haben im
Geschehen auf dem Berge Morija die Ankündigung des Opfers Jesu am Kreuz gesehen.
Isaak, der einzige und geliebte Sohn Abrahams, trägt das Opferholz zum Berg
hinauf, wo er geopfert werden soll, als Vorausbild Christi, des Eingeborenen des
Vaters, der, mit dem Kreuz beladen, den Golgota hinaufsteigt, um sich dort zum
Heil der Menschen darzubringen. Und »so ist der Vater der Glaubenden Gott Vater
ähnlich, der seinen eigenen Sohn nicht verschonen, sondern für uns alle hingeben
wird«5.
Abraham
verließ sich darauf, daß Gott sogar die Macht hat, Tote zum Leben zu erwecken;
darum erhielt er Isaak auch zurück. Das ist ein Sinnbild6. Seine Opfergesinnung
und sein Glaubensgehorsam verweisen auf Christus und auf uns: Deshalb bittet der
Priester bei der Feier der heiligen Messe, Gott möge versöhnt und gütig auf die
Gaben niederblicken und sie annehmen wie einst die Gaben deines gerechten
Dieners Abel, wie das Opfer unseres Vaters Abraham, wie die heilige Gabe, das
reine Opfer deines Hohenpriesters Melchisedek7.
II.
Christi »erlösende Passion ist der Grund seiner Menschwerdung«8. Jede Handlung
des Herrn ist erlösungsmächtig, dennoch gibt es in seinem Leben ein
einzigartiges Ereignis, das über alle anderen hinausragt und sein ganzes Leben
der Hingabe an den Willen des Vaters gleichsam bündelt. Es ist seine
Selbstaufopferung für die Sünden der ganzen Welt9. »Die >Liebe bis zur
Vollendung< (Joh 13,1) gibt dem Opfer Christi seinen Wert und bewirkt, daß es
erlöst und wiedergutmacht, sühnt und Genugtuung leistet.«10
Jesus hat
beim Letzten Abendmahl, nur wenige Stunden vor Leiden und Tod, seinem Opfer
sakramentale Gestalt gegeben und damit dessen Vergegenwärtigung in der heiligen
Messe ermöglicht. »Die Worte und Handlungen jedes Priesters, denen die bewußte
und aktive Teilnahme der ganzen Eucharistie feiernden Gemeinde entspricht,
bilden das Echo des Geschehens vom Gründonnerstag.«11 In der Messe ist Jesus der
eigentliche Priester und die eigentliche Opfergabe, die wirklich dargebracht und
auf sakramentale Weise geopfert wird: »Christus, der Herr, hat die zeichenhafte
Erneuerung beim Abendmahl eingesetzt, als er den Aposteln den Auftrag gab, sie
zu seinem Gedächtnis zu begehen. Die Messe ist daher zugleich Opfer des Lobes,
der Danksagung, der Versöhnung und der Sühne.«12
Als
Anbetung und Lob ist die Eucharistiefeier die vollkommenste Verwirklichung des
Gebotes: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein
dienen.13 Da Anbetung und Lob von Christus, dem Hauptfeiernden, dargebracht
werden, der die Kirche - seinen Leib - in das Opfer mit hineinnimmt, sind sie
auch dann wirksam, wenn die heilige Messe ohne Gemeinde gefeiert wird oder wenn
es an Innigkeit der Teilnehmenden mangelt. Als Versöhnung und Sühne gründen die
Früchte der heiligen Messe auf den unendlichen Verdiensten Christi, jedoch ist
es einsichtig, daß die tatsächlich empfangene Wirkkraft von der persönlichen
Disposition des Mitfeiernden abhängt.
Mit dem
Psalmisten können wir uns fragen: Wie kann ich dem Herrn all das vergelten, was
er mir Gutes getan hat?14 Dann erkennen wir in den Riten der heiligen Handlung
eine Hilfe zur inneren Anteilnahme; sie sind keine bloße Äußerlichkeit, sie
erfordern die subjektive Ergänzung durch eigenes Eingehen auf das Geheimnis des
Glaubens. Im Augenblick des Kommunionempfangs legt uns die Liturgie die Worte in
den Mund: Herr, ich bin nicht würdig... Jeder wird dazu - aus seinem Eigenen -
weitere Worte finden. Oder er wird sich das Bekenntnis des Apostels Thomas zu
eigen machen: Mein Herr und mein Gott...15 Oder mit dem anderen Thomas, dem
Kirchenlehrer, beten: Adoro te devote, latens deitas. Ich bete dich an, Gott im
Verborgenen... Es geht um persönliches Beten innerhalb der heiligen Handlung, um
einen Dialog mit dem Vater, dem Sohn und dem heiligen Geist: »Sage dem Herrn,
daß du von nun an jedesmal, wenn du die heilige Messe feierst oder ihr
beiwohnst, und jedesmal, wenn du die Kommunion empfängst, mit festem Glauben und
mit brennender Liebe zu ihm kommen möchtest! So als wäre es das letzte Mal in
deinem Leben. Und bereue, daß du früher kalt und gleichgültig gewesen bist.«16
III. Der
Horizont des Berges Morija weitet sich dem Betenden bis zum Kalvarienberg. Das
Opfer Abrahams wurde nicht vollzogen, es genügte seine Bereitschaft. Aber es
wies schattenhaft auf die kommende Zeit der Vollendung hin. Als Christus auf dem
Kalvarienberg für uns litt und starb, wollte er auch sein Opfer auf die Zukunft
hin ausweiten und durch die Zeiten hindurch bis zur Wiederkunft fortdauern
lassen. Er gab ihm die sakramentale Gestalt der Eucharistie: »Das Kreuzesopfer
ist ein und dasselbe wie seine sakramentale Vergegenwärtigung in der Messe,
abgesehen von der verschiedenen Art und Weise der Darbringung.«17 So
überschreitet die Kirche Räume und Zeiten und »nimmt am Opfer ihres Hauptes
teil. Mit ihm wird sie selbst ganz dargebracht. Sie vereinigt sich mit seiner
Fürbitte beim Vater für alle Menschen.«18
Hier
erhalten die Worte des Hebräerbriefes eine geheimnisvolle Aktualisierung:
Christus kann wirklich auch die, die durch ihn vor Gott hintreten, für immer
retten; denn er lebt allezeit, um für sie einzutreten19. Dies tut der Herr durch
die Kirche; und sie bittet, »daß Leib und Blut Christi ein Opfer seien, das dem
Vater wohlgefällig ist und der ganzen Welt zum Heile dient«20.
Wir
blicken auf die Gegenwart und beten - mit dem Priester - für den Papst, für die
Hirten der Kirche und für alle, »die Sorge tragen für den rechten katholischen
und apostolischen Glauben«21. Dann beten wir auch für alle, »die hier versammelt
sind. Herr, du kennst ihren Glauben und ihre Hingabe; für sie bringen wir dieses
Opfer des Lobes dar, und sie selbst weihen es dir für sich und für alle, die
ihnen verbunden sind, für ihre Erlösung und für ihre Hoffnung auf das
unverlierbare Heil. Vor dich, den ewigen, lebendigen und wahren Gott, bringen
sie ihre Gebete und Gaben.«22 Eingeschlossen werden auch »alle deine Söhne und
Töchter, die noch fern sind von dir«23. Wie viele konkrete Namen - Angehörige,
Freunde, uns Nahestehende - können wir in diese Bitte einschließen! Dann wenden
wir uns denen zu, die Gott bereits zu sich gerufen hat: »= 23. Wie viele
konkrete Namen - Angehörige, Freunde, uns Nahestehende - können wir in diese
Bitte einschließen! Dann wenden wir uns denen zu, die Gott bereits zu sich
gerufen hat: Erbarme dich aller unserer verstorbenen Brüder und Schwestern und
aller, die in deiner Gnade aus dieser Welt geschieden sind.«24
Was für
einen besseren Augenblick könnten wir finden als den der heiligen Messe, um -
inmitten dieser umfassenden Bitten - auch alles Kleine oder Große vorzutragen,
das uns bewegt! Bedenken wir, daß in der heiligen Messe unsere Bitten zu Bitten
Jesu Christi selbst werden. Wie geheimnisvoll, wie unsagbar ist das! »Werke,
Gebete und apostolische Unternehmungen« das »Ehe- und Familienleben, die
tägliche Arbeit, die geistige und körperliche Erholung, wenn sie im Geist getan
werden, aber auch die Lasten des Lebens, wenn sie geduldig ertragen werden, sind
>geistige Opfer, wohlgefällig vor Gott durch Jesus Christus< (1 Petr 2,5). Bei
der Feier der Eucharistie werden sie mit der Darbringung des Herrenleibes dem
Vater in Ehrfurcht dargeboten.«25
Alles
also, was wir sind und tun, erlangt einen neuen Wert, wenn wir die heilige Messe
- Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens26 - zur Mitte des Tages
werden lassen, zum Bezugspunkt unseres Denkens und Handelns.
1 Gen
22,1-19. - 2 Gen 15,5. - 3 Röm 4,18. - 4 J. Ratzinger, Eucharistie - Mitte der
Kirche, München 1978, S. 24. - 5 Katechismus der Katholischen Kirche, 2572. - 6
Hebr 11,19. - 7 Erstes Hochgebet. - 8 Katechismus der Katholischen Kirche, 607.
- 9 1 Joh 2,2. - 10 Katechismus der Katholischen Kirche, 616. - 11 Johannes Paul
II., Schreiben Über das Geheimnis und die Verehrung der heiligsten Eucharistie,
24.2.1980, 8. - 12 Römisches Messbuch, Allgemeine Einführung, Vorwort, 2. - 13
Mt 4,10. - 14 Ps 116,12. - 15 Joh 20,28. - 16 J. Escrivá, Im Feuer der Schmiede,
Nr. 829. - 17 Römisches Messbuch, ebd. - 18 Katechismus der Katholischen Kirche,
1368. - 19 Hebr 7,25. - 20 Römisches Messbuch, ebd. - 21 Erstes Hochgebet. - 22
ebd. - 23 Drittes Hochgebet. - 24 ebd. - 25 II. Vat. Konz. Konst. Lumen gentium,
34. - 26 vgl. ebd., 11.