Spanisch Deutsch Portugiesisch ---- Portugiesisch Portugiesisch Portugiesisch Portugiesisch Portugiesisch Portugiesisch Portugiesisch Portugiesisch
Francisco Fernández-Carvajal Hablar con Dios

JAHRESKREIS
28. WOCHE - DIENSTAG

41

VERGIB UNS UNSERE SCHULD

Die Sünde bringt Zwiespalt.
Sündenbewußtsein angesichts der göttlichen Barmherzigkeit.
Bereitschaft, unseren Mitmenschen zu vergeben.

I. Vergib uns unsere Schuld, beten wir jeden Tag im Vaterunser. Wir beginnen unsere Zeit des Gebetes, indem wir uns in Demut und Reue die Bitte des Zöllners zu eigen machen: 1

Wenn wir sagen, daß wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns, heißt es im ersten Johannesbrief. Im Alten3 wie im Neuen Testament4 zeigt sich die traurige Wirklichkeit der Sünde. Das Lehramt der Kirche greift sie auf, wenn es sagt: »Was uns aus der Offenbarung Gottes bekannt ist, steht mit der Erfahrung in Einklang: der Mensch erfährt sich, wenn er in sein Herz schaut, auch zum Bösen geneigt und verstrickt in vielfältige Übel, die nicht von seinem guten Schöpfer herkommen können (...). So ist der Mensch in sich selbst zwiespältig. Deshalb stellt sich das ganze Leben der Menschen, das einzelne wie das kollektive, als Kampf dar, und zwar als einen dramatischen, zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Finsternis.«5

Was aber ist die Sünde? Nicht selten verwechseln wir sie mit ihren Folgen. Uns betrübt das eigene Mißlingen, die Demütigung, wieder schwach gewesen zu sein, oder der Schaden, den wir anderen zugefügt haben. Dies ist jedoch nicht das Eigentliche der Sünde. Ihr Wesen ist die Gott zugefügte Beleidigung: 6, bekennt König David, nachdem er die Folgen seiner bösen Tat an Urias erkannt hat: Er hatte mit der Frau seines treuen Dieners Ehebruch begangen und ihn durch eine List in den Tod geschickt. Seine Reue bleibt nicht beim Betrachten der bösen Folgen seiner Tat, des Ehebruchs, der Tötung eines Unschuldigen, des Machtmißbrauchs, des Ärgernisses, stehen. Er sieht zuallererst die Gott zugefügte Beleidigung.

Ein Verstoß gegen das Gottgewollte kann Leid und Unglück über uns selbst oder über andere Menschen bringen, aber Sünde im eigentlichen Sinne gibt es nur gegen Gott. Ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt7, bekennt der verlorene Sohn bei seiner Heimkehr ins Vaterhaus. »Ohne diese Worte - ich habe gesündigt - kann der Mensch nicht in das Geheimnis des Todes und der Auferstehung Christi wirklich eintreten, um daraus die Früchte der Erlösung und der Gnade zu gewinnen. Diese Worte sind der Schlüssel. Sie sind ein Erweis der inneren Öffnung des Menschen auf Gott hin: Vater, ich habe mich gegen dich versündigt (...). Noch deutlicher sind die Worte des Psalmisten: Tibi soli peccavi - gegen dich allein habe ich gesündigt (Ps 51,6). Dieses Tibi soli verdrängt nicht die weiteren Dimensionen der Sünde als eines sittlichen Übels gegenüber der menschlichen Gemeinschaft. Jedoch ist >die Sünde< hauptsächlich und entscheidend ein sittliches Übel in bezug auf Gott selbst (...). Aber die Welt - die heutige Welt - und der Fürst dieser Welt geben sich alle Mühe, um diesen Aspekt im Menschen zu tilgen und zu vernichten. Die Kirche dagegen gibt sich vor allem Mühe, damit jeder Mensch als einzelner mit seiner eigenen Sünde vor Gott hintritt und als Folge davon die heilbringende Sündenvergebung entgegennimmt, die im Leiden und in der Auferstehung Christi enthalten sind.«8

Danken wir Gott dafür, daß wir uns an ihn, die Quelle der Barmherzigkeit, in aufrichtiger Reue wenden dürfen. Der Herr schenkt uns seinen Frieden, wenn wir vor ihm bekennen: Vater, vergib uns unsere Schuld.

II. Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht; er vergibt uns die Sünden und reinigt uns von allem Unrecht.9 »Diese inspirierten Worte, an den Anfängen der Kirche geschrieben, leiten besser als jeder andere menschliche Ausdruck die Betrachtung über die Sünde ein, die eng mit jener über die Versöhnung verbunden ist. Sie berühren das Problem der Sünde in seinem anthropologischen Horizont als einen festen Bestandteil der Wahrheit über den Menschen; aber sie stellen es zugleich in den göttlichen Horizont, in welchem die Sünde der Wahrheit der göttlichen Liebe begegnet, die gerecht ist, großherzig und treu und sich besonders im Vergeben und Erlösen offenbart.«10

Immer gilt: Wenn das Herz uns auch verurteilt - Gott ist größer als unser Herz11. Er ist immer bereit zu verzeihen. Er sagt uns, daß er gekommen ist, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.12 Aber der Herr erwartet von uns mehr als nur ein bloßes Eingeständnis unserer Sündhaftigkeit. Er erwartet von uns, »daß das Andenken an die Sünden uns bitter sei, daß es unser Herz durchbohre, die Seele rühre und brennenden Schmerz verursache.«13

Die Evangelien zeigen uns, wie Christus sich immer wieder an die Sünder wendet und sie aufsucht, weswegen ihn seine Widersacher oft tadeln. Seine Nähe bewirkte, daß Menschen sich ihrer Sünden bewußt werden.

Die Bitte Vergib uns unsere Schuld wäre ohne Sündenbewußtsein unmöglich. »Dieses Bewußtsein hat seine Wurzel im Gewissen des Menschen und ist gleichsam dessen Barometer. Es ist an das Bewußtsein für Gott gebunden, da es sich von der bewußten Beziehung herleitet, die der Mensch zu Gott, seinem Schöpfer, Herrn und Vater, hat.«14

In unserer Zeit wird das Sündenbewußtsein durch vieles verdunkelt. Die verschiedenen Spielarten eines Humanismus ohne Gott verkürzen »Sünde« auf »Beleidigung eines Menschen« Auch eine rein soziologisch-psychologische Sehweise verleitet dazu, jede Schuld auf die Gesellschaft abzuwälzen und ein persönliches Vergehen nicht mehr anzuerkennen. Viele erheben die Zweckmäßigkeit oder das eigene Wohlergehen zum Prinzip des Lebens. A»l dies begünstigt den Verfall des Sittlichen, so daß immer aktueller wird, was Pius XII. schon vor Jahrzehnten sagte: »Die Sünde des Jahrhunderts ist der Verlust des Bewußtseins von Sünde.«15

Mit der Relativierung des Sündenbewußtseins geht eine Relativierung des Schuldbewußtseins einher. Dazu trägt die trügerische Vorstellung bei, zeitlicher Abstand lasse die Schuld schwinden. Thomas von Aquin sagt: »Zweierlei ist an der Sünde zu bedenken: der schuldhafte Akt und die aus ihm sich herleitende macula« die Befleckung.16 »Die Bewegung des Sich-Entfernens (von Gott), die den Akt der Sünde ausmacht, hört zwar eines Augenblicks auf und ist dann Vergangenheit; das Entferntsein aber ist weiterhin Präsens; es wird nicht schon dadurch aufgehoben, daß man stehenbleibt. (...) Vielleicht gehört es zu den unausrottbaren Selbsttäuschungen des Menschen, zu meinen, sittliche Schuld könne >von selbst< verschwinden, sozusagen auf Grund von >Verjährung<, einfach auf die Weise, daß >Gras darüber wächst<.«17

Gegen diese Selbsttäuschung erhebt sich das peccavi - ich habe gesündigt, ich bin im Zustand der Sünde -, die Anerkennung, daß nach einer sündigen Tat »ein Versehrtsein, eine Wunde, eine Befleckung«18 zurückbleibt.

Wer außer Gott kann Sünden vergeben? Das sahen die Pharisäer klar. Wenn wir jeden Tag bitten: Vergib uns unsere Schuld, so sagen wir dem Herrn: Vergib uns unsere bösen Taten und hilf uns, ihre Spuren zu tilgen.

III. Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern, beten wir jeden Tag. Warum vergeben? Der Herr setzt voraus, daß jener, der Gott um Vergebung bittet, selbst großherzig vergibt. Er betont es mehrfach: Wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, dann wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.20 »Christus leitet seine Mahnung weder aus sozialen, noch aus ethischen, noch überhaupt aus innerweltlichen Motiven ab, sondern verbindet die Vergebung des Menschen mit der Gottes. Dieser ist der zuerst und eigentlich Vergebende, der Mensch aber Gottes Kind. So entspringt sein Vergeben aus dem des Vaters im Himmel (...). Das bedeutet nicht, Gott verzeihe uns deshalb, weil unsere Güte zum Nebenmenschen uns dessen würdig machte. Seine Verzeihung ist Gnade; sie findet Würdigkeit nicht vor, sondern begründet sie. Innerhalb dieses Gnadendaseins aber gibt es eine Öffnung des Herzens für Gottes Großmut: die Bereitschaft, dem Nächsten dessen Unrecht zu verzeihen.«21

Der Zusammenhang zwischen der göttlichen Vergebung unserer Schuld und der eigenen Vergebung der Schuld unseres Nächsten entspricht jener sittlichen Faustregel im Evangelium: Nach dem Maß, mit dem ihr meßt und zuteilt, wird auch euch zugeteilt werden.22 Der Kirchenvater Johannes Chrysostomos sagt: »Wir müssen ja nicht nur durch die Gnade Kinder Gottes werden, sondern auch durch die guten Werke. Nichts macht uns aber Gott so ähnlich, als sich gegen die Bösen und Missetäter versöhnlich zeigen, wie übrigens der Herr schon früher darlegte, da er sagte, die Sonne gehe über die Bösen wie über die Guten auf.«23

Gott hat uns in seiner Barmherzigkeit viel vergeben. Wenn wir uns dies dankbar vergegenwärtigen, wird es uns leichter fallen, selbst großherzig zu sein, wenn wir Unrecht erfahren oder beleidigt werden oder meinen, beleidigt worden zu sein. Denn gelegentlich kann es geschehen, daß eine übertriebene Empfindlichkeit uns etwas suggeriert, was einer gelasseneren Betrachtung nicht standhält.

Manchmal jedoch handelt es sich wirklich um Beleidigungen - mehr oder weniger bewußt, mehr oder weniger boshaft. Dann regen sich in uns elementare Gefühle der natürlichen Abwehr, Groll, ja, Haß oder sogar Rachelust, und es meldet sich der Gedanke an die verletzte Gerechtigkeit. Gerade dann gilt es, das verwundete Ich vor den barmherzigen Gott zu schleppen - vor den Gott, dessen Güte wir selbst so oft verletzt und dessen Barmherzigkeit wir so häufig mißbraucht haben. Wir werden bei ihm Frieden finden.

18,13. - 1,8. - vgl. 9,2; 14,4; 20,9; 13,1-4; 51,1ff usw. - vgl. 3,10-18. - II.Vat.Konz., Konst.Gaudium et spes, 13. - 12,13. - 15,18. - Johannes Paul II., Ansprache beim Angelus-Gebet, 16.3.1980. - 1,9. - Johannes Paul II., Apost. Schreiben Reconciliatio et Paenitentia, 2.12.84, 13. - 3,20. - 19,10. - Der römische Katechismus, IV,14,6. - Johannes Paul II., Apost. Schreiben Reconciliatio et Paenitentia, 2.12.84, 18. - Pius XII, , 26.11.1946. - Thomas von Aquin, Summa Theologica, I-II,q.87,a.6. - J.Pieper, Über den Begriff der Sünde, München 1977, S.109. - ebd., S.106. - 5,21. - 6,14-15. - R.Guardini, , Würzburg 1951, S.356. - 6,38. - Johannes Chrysostomos, Homilien über das Matthäusevangelium, 19,7.

* Editions Wort (Inhaber von Urheberrechten) hat uns ermächtigt, tägliche Meditation auf bestimmte Benutzer zum persönlichen Gebrauch zu verbreiten, und wollen nicht ihre Verteilung durch Fotokopieren oder andere Formen der Distribution.