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Francisco Fernández-Carvajal Hablar con Dios

JAHRESKREIS
11. WOCHE - MONTAG

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Die gnade

Das neue Leben der Gotteskindschaft.
Rechtfertigung und Gnade.
Fügsamkeit, Gebetsleben und Liebe zum Kreuz.

I. Wenn sich mit dem Wasser der Taufe die heiligmachende Gnade über einen Menschen ergießt, entsteht in ihm ein neues Leben. Er gehört nun zu denen, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind1. Dieses Leben ist mehr als ein »gehobener Zustand« Durch den Glauben und die Taufe werden wir mit Christus eins, werden in sein Leiden und seine Auferstehung hineingenommen, bekommen Anteil an seinem Leben. Wir beginnen in uns das Leben Christi zu leben. »In der gnadenhaften Gemeinschaft mit der Dreifaltigkeit erweitert sich der >Lebensraum< des Menschen, indem er auf die übernatürliche Ebene des göttlichen Lebens erhöht wird. Der Mensch lebt in Gott und aus Gott.«2 Diese Verbindung ist unvergleichlich höher, stärker und inniger als die geistige Verbindung von Menschen untereinander. Denn die Gnade »führt uns in das Innerste des Lebens der Dreifaltigkeit ein«3 und umformt die christliche Existenz. Wir sind dann die Reben am Weinstock4 die Glieder, die in der Einheit des Leibes leben5.

Die Taufgnade macht uns zu Kindern Gottes. Die Gotteskindschaft ist ein Geheimnis, das der Vergleich mit einer menschlichen Adoption nur unvollständig erhellt; denn diese ist nur die rechtliche Anerkennung eines äußeren Vorgangs; der Adoptierte erhält einen neuen Namen, wird erbfähig und gehört einer neuen Familie an, aber der Adoptierende vermag nicht, ihm seinsmäßig etwas von seinem eigenen Leben zu geben. Die gnadenhafte Adoption durch Gott dagegen bewirkt ein Neugeborenwerden, eine wunderbare Bereicherung der Natur des Adoptierten: Liebe Brüder, jetzt sind wir Kinder Gottes6, heißt es im ersten Johannesbrief. Dies ist keine Fiktion: so bezeugt der Geist selber unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind7. Dieses große Geheimnis läßt den heiligen Paulus freudig ausrufen: Ihr seid also jetzt nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes8. Uns sind durch Gott die kostbaren und überaus großen Verheißungen geschenkt worden, damit wir an der göttlichen Natur Anteil erhalten9, schreibt der heilige Petrus.

Christus hat uns dieses neue Leben erlangt und uns Kunde davon gegeben. »In der Selbstmitteilung Gottes begegnet der menschliche Geist, der nur >die Geheimnisse des Menschen< kennt, dem >Geist, der alles, auch die Tiefen Gottes ergründet< (vgl. 1 Kor 2,10 f). In diesem Geist, der das ewige Geschenk ist, öffnet sich der dreieinige Gott dem Menschen, dem menschlichen Geist. Das verborgene Hauchen des göttlichen Geistes bewirkt, daß der menschliche Geist sich seinerseits der heilbringenden und heiligmachenden Selbsteröffnung Gottes öffnet. Durch das Geschenk der Gnade, die vom Geist kommt, tritt der Mensch in >ein neues Leben< ein, wird er in die übernatürliche Wirklichkeit des göttlichen Lebens selbst eingeführt und wird zur >Wohnung des Heiligen Geistes<, zum >lebendigen Tempel Gottes< (vgl. Röm 8,9; 1 Kor 6,19).«10

Die einzig gemäße Haltung angesichts einer solchen Würde ist Danken ohne Unterlaß, weil der Herr uns so reich hat machen wollen. Und zum Dank kommt der Wunsch, uns an dieses kostbare Geschenk niemals zu gewöhnen und auch unseren Mitmenschen immer unter dieser Hinsicht zu begegnen. Auch sie besitzen dieselbe Würde oder sind berufen, sie zu empfangen. Wissen wir wirklich, was wir wert sind?

II. Am Anfang der Schöpfung besaß der Mensch die Frische und innere Schönheit eines Wesens, das aus den Händen des Allmächtigen hervorgegangen war. Die Sünde jedoch erschütterte, wie ein Beben, sein Inneres. So beschloß Gott gleichsam eine neue Schöpfung durch die Rechtfertigung. Sie »ist das erhabenste Werk der Liebe Gottes. Sie wird in Jesus Christus geoffenbart und durch den Heiligen Geist gewährt. (...) Die Rechtfertigung läßt den >inneren Menschen< erstehen (Röm 7,22; Eph 3,16) und bringt die Heiligung des ganzen menschlichen Wesens mit sich.«11

Die Rechtfertigung, »das Wohlwollen, die ungeschuldete Hilfe, die Gott uns schenkt, um seinem Ruf zu entsprechen«12, führt uns als Teilhabe am Leben Gottes in das Innerste seines dreifaltigen Lebens ein und begründet die übernatürliche Berufung zum ewigen Leben. Durch sie wird der Mensch gottähnlich, ohne deswegen aufzuhören, ganz Geschöpf zu sein.

Die Gnade vereint die Seele mit Gott durch ein sehr enges Band der Liebe. Sie hat ihren Ursprung in Gott und wirkt, läuternd und belebend, in uns hier auf Erden, bis wir zur Gemeinschaft mit Gott im Himmel gelangen. Sie ist - mit Worten des Herrn - die sprudelnde Quelle, deren Wasser ewiges Leben schenkt13. Im ersten Johannesbrief ist von Gottes Same in uns die Rede, ein anderes Bild des Lebens und Wachsens.14 Unser Denken beugt sich dem Glauben, der uns sagt: Die Gnade ist das höchste Gut, das wir besitzen!

Nach der Glaubenslehre ist die heiligmachende Gnade »ein bleibendes Geschenk, eine übernatürliche feste Neigung. Sie vervollkommnet die Seele, um sie zu befähigen, mit Gott zu leben und aus seiner Liebe zu handeln. Man unterscheidet die sogenannte habituelle Gnade, das heißt eine bleibende Neigung, entsprechend dem göttlichen Ruf zu leben und zu handeln, von den sogenannten helfenden Gnaden, das heißt dem göttlichen Eingreifen zu Beginn der Bekehrung oder im Verlauf des Heiligungswerkes.«15 Die helfenden Gnaden sind die Impulse und Regungen, durch die Gott uns von Fall zu Fall hilft, die heiligmachende Gnade ist eine beständige und dauernde Seinsweise.

Ein alter theologischer Grundsatz besagt: Die Gnade zerstört die Natur nicht, sondern setzt sie voraus, erhöht und vollendet sie. Dies bedeutet, »daß die Gnade, die Begegnung des Menschen mit dem ihn rufenden Gott, das wahrhaft Menschliche des Menschen nicht zerstört, sondern rettet und erfüllt. Dieses wahrhaft Menschliche des Menschen, die Schöpfungsordnung Mensch, ist in keinem Menschen ganz erloschen; sie ruht auf dem Grunde einer jeden menschlichen Person und wirkt sich auf mannigfaltige Weise immerfort auch ins konkrete Dasein des Menschen hinein fordernd und führend aus. Aber freilich ist sie in keinem Menschen unverbogen, unverfälscht zugegen, sondern bei jedem ist sie überklebt von dem schmutzigen Filz, den Pascal einmal treffend die >seconde nature< des Menschen genannt hat. Der Mensch hat sich selber eine zweite Natur zugelegt, deren Kern die Ichverfallenheit - die concupiscentia - ist.«16

Die Gnade reinigt das Natürliche im Menschen, so daß seine irdischen Werke veredelt werden und eine vollkommenere »Menschlichkeit«, »Natürlichkeit= erhalten, nicht im Sinne des bloß Edel-Menschlichen, was ja leicht in einer Art Selbstvergötzung enden könnte: der Maßstab des Menschen ist der menschgewordene Gott: Erschienen ist uns die Güte und die Menschlichkeit unseres Retters, Gottes.17« erhalten, nicht im Sinne des bloß Edel-Menschlichen, was ja leicht in einer Art Selbstvergötzung enden könnte: der Maßstab des Menschen ist der menschgewordene Gott: Erschienen ist uns die Güte und die Menschlichkeit unseres Retters, Gottes.17

III. Der Herr hat gesagt: An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.18 Die Teilhabe an der göttlichen Natur soll sich in unseren Gedanken, Handlungen und Wünschen widerspiegeln. Das geht nicht ohne asketischen Kampf, der erst dem Leben Christi in uns Raum schafft. Das Wort Johannes des Täufers zeigt uns die Richtung dieses Kampfes an: Er muß wachsen, ich aber muß kleiner werden.19

Was heißt das? Dem Egoismus, dem Kreisen um uns selbst, Selbstgefälligkeit und Lauheit widerstehen. Positiv ausgedrückt: Uns bewußt sein, daß wir den Namen Christi tragen und deshalb die Lehre und das Leben Jesu Christi nachahmen müssen, damit wir Jesus auch wirklich ähnlich werden können.

Damit sich das Leben Jesu in unserem Leben abzeichnet und wir mehr und mehr mit ihm einswerden, müssen wir uns dem Wirken des Heiligen Geistes öffnen: indem wir seinen Eingebungen gegenüber fügsam sind, das Leben aus dem Glauben in bestimmten Frömmigkeitsübungen zu konkretisieren wissen und beständig den Geist der Buße pflegen.

»Zuerst ist Fügsamkeit nötig, denn der Heilige Geist will mit seinen Eingebungen unseren Gedanken, Werken und Wünschen einen übernatürlichen Ton verleihen. Er treibt uns dazu an, die Lehre Christi zu bejahen und uns zutiefst anzueignen. Er erleuchtet uns, damit wir uns unserer persönlichen Berufung bewußt werden, und stärkt uns, damit wir tun, was Gott von uns erwartet.«20

Dann Gebetsleben, »denn die Hingabe, der Gehorsam und die Milde des Christen kommen aus der Liebe und führen zu ihr hin. Diese Liebe will Umgang, Gespräch, Freundschaft. Das christliche Leben verlangt einen ständigen Dialog mit dem dreieinigen Gott, und zu dieser innigen Verbundenheit führt uns der Heilige Geist.«21

Und schließlich Liebe zum Kreuz, »denn im Leben Christi ging der Auferstehung und Pfingsten das Golgota voraus, und so muß es auch im Leben des Christen sein.«22 Und wie? Indem wir die Widerwärtigkeiten, groß oder klein, die unvorhergesehen kommen, bereitwillig annehmen, indem wir dem Herrn täglich viele kleine frei gewählte Entsagungen aufopfern und uns so mit dem Kreuz im Geist der Miterlösung vereinen.

Prüfen wir uns jetzt am Ende unseres Gebetes, wie es um uns steht, ob das Gnadenleben wirklich in uns wachsen kann. Sagen wir dem Herrn, daß wir nicht im Stau unserer Selbstzufriedenheit stehen bleiben wollen auf unserem Weg zu ihm, sondern daß wir mit seiner Gnade vorankommen möchten.

Rufen wir Maria als Mutter der göttlichen Gnade und Braut des Heiligen Geistes an. Sie wird uns helfen - wenn wir ihr in unserem Gebetsleben den Platz einräumen, den sie als von Gott Privilegierte verdient -, daß wir durch das Wirken des Heiligen Geistes ihrem Sohn mehr und mehr ähnlich werden.

1 Joh 1,13. - 2 Johannes Paul II., Enz. Dominum et vivificantem, 58. - 3 Katechismus der Katholischen Kirche, 2021. - 4 vgl. Joh 15,1-6. - 5 vgl. 1 Kor 12,12-27. - 6 1 Joh 3,2. - 7 Röm 8,16. - 8 Eph 2,19. - 9 vgl. 2 Petr 1,4. - 10 Johannes Paul II., a.a.O. - 11 Katechismus der Katholischen Kirche, 1994-95. - 12 ebd., 1996. - 13 Joh 4,14. - 14 1 Joh 3,9. - 15 Katechismus der Katholischen Kirche, 2000. - 16 J.Ratzinger, Dogma und Verkündigung, München 1973, S.178. - 17 Tit 3,4. - 18 Mt 7,20. - 19 Joh 3,30. - 20 J.Escrivá, Christus begegnen, 135. - 21 ebd., 136. - 22 ebd., 137.

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