JAHRESKREIS
27. WOCHE - FREITAG
35
DER WILLE
GOTTES
Gottes
Wille und unser Wille.
In der Übereinstimmung mit Gottes Willen liegt unser Glück.
Den Willen Gottes nicht nur tun, ihn lieben.
I.
Dein
Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.
In der dritten Bitte des Vaterunser sagen wir dem Herrn, daß auch wir -
- seinen heiligen Willen erfüllen wollen wie die Heiligen
.
Deren Gebet ist reinste Anbetung in der Gottesschau. Unser Gebet hingegen
vollzieht sich in Glaube und Hoffnung, weil wir noch nicht sehen und noch nicht
besitzen.
»Wir
wissen nicht, ob das, worum wir in der Not bitten, gut ist. Wir wissen nicht, ob
die Richtung, die wir einer Situation geben möchten, zum Rechten führt. Unser
Leben gleicht nicht der Arbeit eines Kaufmanns oder eines Baumeisters, die ihre
Pläne machen und danach handeln. Nur zu einem Teil kommt es aus dem, was wir
sehen und verstehen; zum anderen und größeren aus dem Geheimnis Gottes. Dahinein
geht die Bitte; so muß sie bereit sein, zu empfangen, was von dorther richtig
ist.«1
Wer sein
Beten so ausrichtet, gerät nicht in die Gefahr, seinen eigenen Willen zum Willen
Gottes machen zu wollen. Über sie lesen wir im Jakobusbrief:
Ihr
erhaltet nichts, weil ihr nicht bittet. Ihr bittet und empfangt doch nichts,
weil ihr in böser Absicht bittet.
Aber ist
die Bitte Dein
Wille geschehe nicht zu riskant? Was, wenn sein Wille uns ins
Verhängnis stürzt? Doch wir wissen: keiner will unser Wohl und unser Glück mehr
als der Herr. »Gott erhört jedes Gebet in einer all unser Hoffen übertreffenden
Weise. Wenn er deshalb ein Gebet nicht in der Weise erhört, wie wir es wünschen,
dann deshalb, weil dieser Wunsch noch nicht unserem wahren Besten entspricht.
Der heilige Augustinus drückt diesen Gedanken so aus: >Gut ist Gott, der oftmals
nicht gibt, was wir wollen, auf daß er uns gebe, was wir lieber wollen
sollten.«3
Manches,
was uns beim ersten Erwägen wie ein Unglück vorkommt, zeigt sich im Gebet in der
umfassenderen Perspektive des Glaubens. Das vermeintliche Unglück, das sich im
Kontext unseres Lebens wie ein dunkler Pinselstrich ausnimmt, erkennen wir als
Teil eines Ganzen, wie Schatten in einem Gemälde, der das Licht und die Farben
zur Wirkung bringt. Können wir uns nicht darauf verlassen, daß Gott weiser ist
als wir? Reicht seine Liebe nicht tiefer als die unsrige? Wenn wir um Brot
bitten, wird er uns dann Steine geben? Ist er nicht unser Vater? Hat er uns
nicht gesagt, wir sollen so beten:
Abba,
Vater?
Lassen
wir uns von all dem erfassen - denn auch das ist Gebet: still sein vor Gott -,
dann entsteht ein Klima des Vertrauens und der Liebe: Herr, wenn dies für mich
gut ist, dann gib es mir. Man hat gesagt, das Hauptziel des Gebetes sei nicht,
dieses oder jenes zu erreichen, sondern uns zu verwandeln, damit wir freudig wie
Christus sagen können:
Nicht
mein Wille, sondern dein Wille geschehe.
»Gott
weiß mehr als wir«. Das Verhalten Christi im Evangelium zeugt davon. Maria von
Betanien hatte ihn gebeten, unverzüglich zu ihrem Bruder Lazarus zu kommen, der
im Sterben lag. Aber Jesus folgte ihrer Bitte nicht - er verweigerte die
ersehnte Heilung, weil er ihn vom Tode auferwecken wollte.
Gott ist
der Wissende, wir sind die Unwissenden, Gott sieht das Ganze, wir nur einen
Ausschnitt, Gott erfaßt das Heute mit unserem Gestern und unserem Morgen, wir
nur den flüchtigen Augenblick. Unser Gebet soll nicht sein: Gott möge dies oder
jenes wollen, sondern er möge uns Licht und Kraft schenken, damit wir seinen
Willen erkennen und tun. Dies ist nicht resignierte Kapitulation vor einem
Stärkeren, sondern vertrauensvolles sich dem Schöpfer und Erlöser Überantworten.
Dadurch entdecken wir die wahre Größe des Menschen, seine Gotteskindschaft.
II.
Dein
Wille geschehe
... »Dieser Gotteswille geht auf das Kommen des Reiches und das Werden der neuen
Welt; so bittet der Mensch, der mit Gott im Einvernehmen der gleichen Sorge
steht, sein Wille möge sich erfüllen, und nicht nur im allgemeinen Gang der
Geschichte, sondern dort, wo er ihn angeht, im eigenen Leben«4. Wie leicht ist
diese Bitte, wenn das eigene Wollen und der Wille Gottes übereinstimmen ... Oft
genug ist es jedoch nicht so. Dann bedarf das eigene Ich der Läuterung. Denn
auch bei der Verfolgung von guten Zwecken neigt unser Wille dazu, sich selbst
als Mitte zu verstehen - während doch Gott die Mitte sein soll. Wir erinnern uns
an die Worte des Propheten:
Meine
Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege5
Wie oft
lehrte der Herr im Evangelium, daß der sichere Weg zum Heil ein rückhaltloses Ja
zum Willen Gottes ist! Einmal drängen ihn die Apostel zum Essen, denn sie haben
im Nachbardorf Lebensmittel besorgt:
Meine
Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu
Ende zu führen,
ist die Reaktion Jesu. Versuchen wir allen Ernstes, uns diese Worte des Herrn zu
eigen zu machen?
Dem Herrn
geht es
um den
Willen dessen, der mich gesandt hat.
Können wir, die wir an seiner Sendung teilhaben, ihm aufrichtig sagen: Herr, ich
möchte mich nicht nach dem richten, was mir liegt, sondern nach dem, was ich als
deinen Willen erkenne - mag es auch noch so mühsam sein?
Gerade in
einer Situation, die uns gar nicht einleuchten will, erfassen wir, was es heißt:
Vater,
wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille
soll geschehen.
Nicht, was ich will, sondern was du willst, Herr.
Die
Apostel haben in ihrer Verkündigung das weitergegeben, was sie von ihrem Meister
gelernt hatten:
Nicht
jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern
nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt,
denn
wer den
Willen meines himmlischen Vaters erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester
und Mutter.
Das wahre Glück des Geschöpfes liegt in der Übereinstimmung mit dem göttlichen
Willen, denn Gott will uns auch hier auf Erden glücklich - jedoch nicht immer
so, wie wir es gern hätten.
Unser
Ziel soll deshalb sein, immer das zu tun, was Gott von uns erwartet - im Großen
wie im Kleinen. Wir verwirklichen unsere Freiheit, indem wir uns den Willen
Gottes zu eigen machen. Jede Tat - groß oder klein - ist dann eine Tat der
Liebe.
III.
Dein
Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.
»Soll
diese Bitte ernst sein, dann muß sie zugleich bedeuten, daß der Betende sich
diesem heiligen Geschehen zur Verfügung stellt: sich bereit macht, zu tun, was
er an seiner Stelle dafür tun soll, und auf sich nimmt, was mit jener
Verwirklichung verbunden ist, auch wenn es schwer ist. Der Wille Gottes über
sein Reich verwirklicht sich nicht so, wie der über das Kreisen der Gestirne und
das Wachstum der Bäume. Das ist den Naturgesetzen anvertraut, das Werden des
Gottesreiches hingegen vollzieht sich im Raum der Freiheit. So muß der Mensch es
wollen; jeweils der, den es angeht, also jener, der da betet.«11
Bäume und
Gestirne können nicht Gottes Willen lieben. Wir Menschen können es. Wir sind in
der Lage, auf eine schwierige Situation liebend zu reagieren: »Du willst es,
Herr? Dann will ich es auch!= 12 Manchmal werden wir dieses Wort bei einer
auáerordentlichen Heimsuchung sprechen - wie etwa beim Tod eines Menschen, der
uns viel bedeutete. Meistens jedoch wird es sich um immer wiederkehrende
Situationen handeln: Altersgebrechen, die uns zu schaffen achen, berufliche
Vorstellungen, die sich nicht verwirklichen lassen, Unzulänglichkeiten am
Arbeitsplatz, Mißverständnisse, Schwierigkeiten im Umgang mit Menschen, die uns
jeden Tag begegnen...
So finden
wir zu der Haltung, die die heilige Theresia von Avila in einem ihrer Gedichte
beschreibt: »Gib mir den Tod - gib mir das Leben! Gesundheit oder Siechtum gib!
Ehre und Schmach sind mit gleich lieb. Laß Krieg, laß Frieden mich umgeben;
wolle mich werfen oder heben - zu allem sag' ich ja vor dir. Befiehl! Was soll
geschehen mit mir?«12
Ja sagen
zum Willen Gottes ist oft ein Ja zum Kreuz. Josemaría Escrivá schreibt: »Du hast
zu mir gesagt: Vater, es geht mir schlecht.
Ich habe
dir leise geantwortet: Nimm nur ein wenig von diesem Kreuz, nur einen kleinen
Span davon, auf deine Schulter. Und sollte dir nicht einmal das gelingen ...,
dann laß es ganz auf Jesu starken Schultern. Und sprich schon jetzt mit mir:
>Herr, mein Gott: In deine Hände lege ich das Vergangene, das Gegenwärtige und
das Zukünftige, das Kleine und das Große, das Wenige und das Viele, das
Zeitliche und das Ewige.<
Und dann
sei ganz beruhigt.«14
Der
heilige Paulus gibt diese Erfahrung des inneren Friedens wider, wenn er an die
Korinther schreibt:
Trotz all unserer Not bin ich von
Trost erfüllt und ströme über vor Freude.15
Und auch am Anfang der Berufung Mariens steht - als ein Wort, das Frieden
schafft - das
Fiat. Mir geschehe, wie du es gesagt hast.16
»Marias Geschichte beginnt damit, daß sie Du sagt. Schon damals in Nazaret hat
sie jenen Satz gesprochen, den uns dann der Herr selbst zu beten gelehrt hat:
Dein Wille
geschehe, wie im Himmel so auf Erden.«17 Bei der Hochzeit zu Kana
spricht sie zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut (Job 2,5). »= 17 Bei der
Hochzeit zu Kana spricht sie zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut (Joh
2,5). Es ist das letzte Wort Marias, das uns im Evangelium überliefert ist und
das deshalb in besonderer Weise in alle Zeiten hineinklingt. Es ist ein
prophetisches Wort, prophetisch nicht im Sinne von Weissagungen und
Enthüllungen, sondern im Sinn der Worte der großen Propheten, durch die Gott die
Menschen mahnt, seinen Willen zu tun.«18
R.Guardini,
Vorschule
des Betens,
Mainz 1986, S.71. -
4,2-3. -
Katholischer Erwachsenen-Katechismus,
Bonn 1985, S.105. -
R.Guardini,
Vorschule
des Betens,
Mainz 1986, S.130. -
55,8. -
4,34. -
5,30. -
22,42. -
7,21. -
12,50. -
R.Guardini,
Vorschule
des Betens,
Mainz 1986, S.130. -
J.Escrivá,
,
Nr.762. -
Theresia von Avila, in:
Wege zum
Gebet. Eine Textauswahl,
Einsiedeln 1985, S.173. -
J.Escrivá,
Der
Kreuzweg,
VII,3. -
7,4. -
1,38. -
Johannes Paul II.,
Ansprache
in Kevelaer,
2.5.1987. -
Reinhard Lettmann,
Was er
euch sagt, das tut,
Kevelaer 1988, S.37.