JAHRESKREIS
26. WOCHE - DONNERSTAG
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DIE ERNTE
IST GROSS
Als
Gesandte Christi in der Welt von heute.
Apostelsein heißt zuallererst, Freund Gottes sein.
Freudiges Zeugnis.
I. Nahe
bei Jesus und den Zwölf finden wir einen weiten Kreis von Menschen, die auch zu
den Jüngern des Herrn zählen.
Aus der Apostelgeschichte wissen wir, daß einige - wie
Josef,
genannt Barsabbas, mit dem Beinamen Justus, und Matthias
- von der Johannestaufe bis zu seiner Himmelfahrt bei Jesus waren. Diese Jünger
gehören nicht zum engeren Kreis der Apostel, doch auch sie stehen dem Herrn zur
Verfügung, anders als die Menge, die sich immer wieder um ihn schart und dann
weggeht. Das heutige Evangelium stellt uns den Jüngerkreis vor: Da
suchte
der Herrr zweiundsiebzig andere Jünger aus und sandte sie zu zweit voraus in
alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte. Er sagte zu ihnen:
Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.3
Diese
Sendung wiederholt sich im Laufe der Geschichte. Zu jeder Zeit sendet der Herr
seine Jünger mit dem Auftrag aus, ihm den Weg in die Herzen der Menschen zu
bereiten und Arbeiter für die große Ernte zu suchen. Wohin sandte er sie? In die
Welt von damals - uns in die Welt von heute, die Johannes Paul II. mit folgenden
Worten charakterisiert: »Ganze Länder und Nationen, in denen früher Religion und
christliches Leben blühten und lebendige glaubende Gemeinschaften zu schaffen
vermochten, machen nun harte Proben durch und werden zuweilen durch die
fortschreitende Verbreitung des Indifferentismus, Säkularismus und Atheismus
entscheidend geprägt. Es geht dabei vor allem um Länder und Nationen der
sogenannten Ersten Welt, in der der Wohlstand und der Konsumismus, wenn auch von
Situationen furchtbarer Armut und Not begleitet, dazu inspirieren und
veranlassen, so zu leben, >als wenn es Gott nicht gäbe<. Die religiöse
Indifferenz und die fast inexistente religiöse Praxis, auch angesichts schwerer
Probleme der menschlichen Existenz, sind nicht weniger besorgniserregend und
zersetzend als der ausdrückliche Atheismus. Auch wenn der christliche Glaube in
einigen seiner traditionellen und ritualistischen Ausdrucksformen noch erhalten
ist, wird er mehr und mehr aus den bedeutsamen Momenten des Lebens wie Geburt,
Leid und Tod ausgeschlossen. Daraus ergeben sich gewaltige Rätsel und
Fragestellungen, die unbeantwortet bleiben und den modernen Menschen vor
trostlose Enttäuschungen stellen.«4
Wir
denken an die Christen in den Anfangszeiten der Kirche. Sie lebten in einer
Gesellschaft, die von provokativem Wohlstand und bitterer Armut geprägt war, von
Reichtum und Sklaverei, von kollektiver Religiosität und einer vagen
individuellen Sehnsucht nach Heil. Die junge Kirche besaß nicht nur die Kraft,
sich gegen heidnische Ansteckung abzuschirmen. Sie verwandelte nach und nach die
Gesellschaft: »Das Christentum sickert durch, es breitet sich im Bereich der
Familie, der Arbeit und des persönlichen Umgangs aus (...). Erstaunlich an den
Christen des 2. Jahrhunderts ist ihre Präsenz. Im Leben der Menschen, in den
Läden und Werkstätten, in den Lagern und auf den öffentlichen Plätzen. Sie
nehmen am wirtschaftlichen und sozialen Leben teil, sie sind in den Alltag
verwoben und leben wie jedermann (...). In diesem Miteinander des gemeinsamen
Lebens bereiten sich die Bekehrungen vor.«5
Bittet
also den Herrn der Ernte
..., sagt Christus zu seinen Jüngern. »Der Klageruf des Gottessohnes trifft ins
Herz, er bleibt immer aktuell: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenige
Arbeiter!
Dieses
Wort aus dem Munde Christi gilt auch dir! Wie hast du bis jetzt geantwortet:
betest du zumindest dafür, daß der Herr Arbeiter in seine Ernte sende? Jeden
Tag?«6
II.
Gregor der Große kommentiert die Worte des Herrn: »Für die große Ernte gibt es
nur wenige Arbeiter, wir können es nur mit tiefer Trauer sagen. Es gibt genügend
Menschen, die hören wollen, aber es fehlen die, die reden wollen«7 Der Herr
sendet immer wieder Menschen, die seine Zeugen sein sollen. Aber zuerst sorgt er
dafür, daß die Gesandten ihn gut kennen, ihm nahestehen. Die Hauptträger der
Sendung - die Apostel - erfuhren von ihm die ganze Tiefe seiner Liebe. Der Herr
lehrte = 7 Der Herr sendet immer wieder Menschen, die seine Zeugen sein sollen.
Aber zuerst sorgt er dafr, daá die Gesandten ihn gut kennen, ihm nahestehen.
Die Haupttr„ger der Sendung - die Apostel - erfuhren von ihm die ganze Tiefe
seiner Liebe. Der Herr lehrtesie den Vater kennen, offenbarte ihnen seine Liebe:
Wie mich der
Vater geliebt hat, so habe ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!
Dann teilte er ihnen diese Liebe mit:
Ich habe euch Freunde genannt, denn
ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.8
Und dann erteilte er ihnen den Auftrag:
Ich habe euch erwählt und dazu
bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt.9
Auf einer anderen Ebene ist dies bei jedem der Fall, der Zeugnis für Christus
gibt: er trägt zu den Menschen die Liebe, die Christus ihm geschenkt hat. Eben
dies ist das apostolische Wirken eines Christen: »die Liebe Gottes allen
Menschen und Völkern zu verkünden und mitzuteilen.«10
Apostelsein heißt zuerst, Freund Gottes sein. Dann kann man den Menschen Zeugnis
von dieser Freundschaft geben. Gerade heute, da vielerorts Mißtrauen,
Aggresivität oder Gleichgültigkeit die Atmosphäre prägen, mag dies fast
unerreichbar erscheinen. Wenn wir jedoch zuallererst den Umgang mit Christus
suchen, der uns seine Freunde nennt, kann es uns sehr wohl gelingen, den
Menschen um uns so zu begegnen, daß sich allmählich Vertrauen und Offenheit
einstellen. Natürlich wird das auch einmal so gut wie unmöglich sein, aber auch
dann können wir loyal reagieren: indem wir nicht nachtragen, nicht hinterrücks
kritisieren. Es wird vielleicht einige erstaunen, vielleicht auch nachdenklich
stimmen: Wieso kann er das?
Natürlich
können wir Spannungen, Konflikten und Auseinandersetzungen nicht immer aus dem
Wege gehen, ja, es kann sogar ein Gebot der Gerechtigkeit sein, unsere Meinung
klar heraus zu sagen. Aber gerade hier, wenn wir unseren Standpunkt weder
aggressiv noch ironisch noch gekränkt vortragen, wird das Eigentümliche unseres
Zeugnisses spürbar.
III. Das
Zeugnis der Liebe und der menschlichen Verbundenheit wird durch die Freude
gestützt. Thomas von Aquin schreibt: »Der Liebe zu Gott folgt notwendig die
Freude. In der Tat, wer liebt, erfreut sich der Gegenwart des Freundes. Nun hat
die Liebe den, den sie liebt, nämlich Gott, immer gegenwärtig.«11
Die
Freude, die der Herr seinen Jüngern beim Letzten Abendmahl verheißen hat12,
soll unser Zeugnis prägen. »Für einen Christen ist die Freude
selbstverständlich, weil sie wesentliche Eigenschaft der wesentlichsten Tugend
des Christentums ist, nämlich der Liebe. Zwischen Christenleben und Freude
besteht ein notwendiger Wesenszusammenhang. Von da aus versteht man Claudels
Wort in bezug auf die Christen: (...) >Lehre sie, daß sie keine andere Pflicht
auf der Welt haben als die Freude<.«l3
Mit einem
langen Gesicht und Wehleidigkeit hätten die Urchristen ihre Umwelt nicht
verändert. Hinter ihrer Botschaft stand die frohmachende Erfahrung, Jesus, dem
Erlöser, nahe zu sein. »Wo Jesus in die Nähe kommt, da entsteht Freude. Lukas,
der Evangelist, der sein Evangelium und die Apostelgeschichte so bedachtsam
komponiert hat, hat diesen Faden nicht aus dem Auge verloren. Der letzte Satz
des Evangeliums sagt uns nämlich: Als die Jünger den Herrn hatten auffahren
sehen, da gingen sie weg, das Herz voll Freude (Lk
24,52) (...). Rein menschlich würden wir erwarten: voll Verwirrung. Nein, wer
den Herrn nicht nur von außen gesehen hat, wer sich sein Herz von ihm berühren
ließ, wer den Gekreuzigten angenommen hat und, eben weil er den Gekreuzigten
angenommen hat, die Gnade der Auferstehung kennt, der muß voller Freude sein.«14
Unser
Zeugnis kommt aus dem Inneren, aus der Nähe zu Christus. Aber die Welt, der es
gilt, steht draußen. Sie erreichen wir durch unsere Worte und unser Tun. »Dies
ist der erste Schritt, damit andere sich den Wegen Christi nähern: daß sie dich
froh, glücklich und sicher auf deinem Weg zu Gott sehen.«15
Wenden
wir uns zum Schluß unserer Betrachtung an Maria, die wir in der Lauretanischen
Litanei als »Ursache unserer Freude« anrufen, weil sie uns den Erlöser geboren
hat, der die Angst in der Freude aufhob.
vgl.
2,15. -
vgl.
1,23. -
10,1-2. -
Johannes Paul II., Enz.
Christifideles laici,
34. -
A.Hamman,
Die
ersten Christen,
Stuttgart 1985, S.72. -
J.Escrivá,
Im Feuer
der Schmiede,
Nr.906. -
Gregor der Große,
Homilien
über die Evangelien,
17,3. -
15,9.15. -
15,16. -
II.Vat.Konz., Dekret
,
10. -
Thomas von Aquin,
Summa
Theologica
I-II,q.70,a.3. -
vgl.
16,22. -
P.A.Reggio,
Vergiß
die Freude nicht,
Freiburg 1959, S.28. -
J.Kard.Ratzinger,
Diener
eurer Freude,
Freiburg 1988, S.48-49. -
J.Escrivá,
Im Feuer
der Schmiede,
Nr.858.