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Francisco Fernández-Carvajal Hablar con Dios

JAHRESKREIS
10. WOCHE - SAMSTAG

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worte, die binden

Der Wert des gegebenen Wortes.
Wahrheit und Zeugnis.
Wahrhaftigkeit und Treue.

I. Der Eid soll vor Unwahrhaftigkeit schützen. Durch die Anrufung Gottes zum Zeugen soll der Schwörende zur Wahrhaftigkeit genötigt werden. Zur Zeit Jesu verwarfen die Rabbiner nicht nur den Meineid, sondern auch das leichtfertige Schwören. Aber Jesus geht noch darüber hinaus: Mit seinem Wort: Ich aber sage euch, das es dem Wort Gottes im Alten Testament gleichsetzt, verkündet er: Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein.1 »Das Gesetz des Alten Bundes hat geboten: Wenn du schwörst, sieh zu, daß das, was du schwörst, wahr sei. Wenn du Gott etwas gelobt hast, sieh zu, daß du es haltest. Der Herr sagt: Du sollst überhaupt nicht schwören. Warum? Weil alles, was du schwörend anrufen könntest, Gott gehört. Er selbst aber ist die Majestät über allem, der Heilige, Unantastbare, Unnahbare.«2

Schwört überhaupt nicht. Warum? Der Schwörende »verknüpft die eigene Wahrhaftigkeit mit der Gottes und fordert ihn auf, dafür einzutreten. Da spricht Jesus: Wessen unterfängst du dich? Die ganze Majestät der alttestamentlichen Gottesoffenbarung erhebt sich, welche verboten hatte, auch nur ein Bild von Gott zu formen, da jedes Bild ihn ins Menschliche zieht. Damit wird nun ganz ernst gemacht, und die Entscheidung nicht zwischen wahres und falsches Schwören, sondern viel früher gesetzt: zwischen die Wahrheit Gottes und die Menschenwahrheit. Wie kann der Mensch, in dem überall Lüge ist, sich mit seiner Aussage neben den heiligen Gott stellen? Er soll sich vor dem Schwören überhaupt in acht nehmen und Gottes Majestät so groß im Herzen tragen, daß das einfache >Ja< und >Nein< zuverlässig wird wie ein Eid. Das Gebot, nicht falsch zu schwören, ist also in einer tiefer gebundenen Wahrhaftigkeit aufgehoben, die überhaupt nicht mehr schwört, weil sie Gottes Heiligkeit so rein erkennt und liebt, daß sie seinen Namen nicht mehr in die eigene Aussage einsetzt; eben dadurch wird aber jede Aussage durch eine neue und ganz anders innerliche Gewissenhaftigkeit unterbaut.«3 Der Herr will dem Wort seinen Wert und seine Verläßlichkeit zurückgeben, indem sich der Mensch allein durch das, was er sagt, gebunden weiß.

»In Anlehnung an den heiligen Paulus hat die Überlieferung der Kirche das Wort Jesu so verstanden, daß es den Eid dann, wenn er sich auf eine schwerwiegende und gerechte Sache (z.B. vor Gericht) bezieht, nicht verbietet.«4 Dann ist Schwören sogar ein Akt der Tugend der Religion und gereicht dem Namen Gottes zur Ehre, wenn es »in Wahrheit, Überlegung und Gerechtigkeit«, geleistet wird. Der Prophet Jeremias hatte schon darauf verwiesen: Schwörst du aufrichtig: So wahr der Herr lebt!, nach Recht und Gerechtigkeit, dann werden sich Völker mit ihm segnen und seiner sich rühmen.5

Im allgemeinen wird unser Wort als Christen genügen, die Wahrheit zu bekräftigen; denn man soll uns als Menschen kennen, die in allem die Wahrheit suchen und die ihr Wort bindet. Dies ist das Fundament jeglicher Loyalität und Treue: Christus, der Familie, den Freunden und dem Geschäftspartner gegenüber.

Aber die Verläßlichkeit unseres Wortes will Tag für Tag errungen sein: gerade auch in belanglosen Angelegenheiten oder wenn es darum geht, einen Irrtum zu berichtigen oder die übernommenen Pflichten beharrlich zu erfüllen.

II. Unser Herr Jesus Christus sagt von sich selbst, daß er die Wahrheit7 ist; der Teufel dagegen ist der Vater der Lüge8. Christi Liebe zur Wahrheit läßt ihn die Heuchelei und Falschheit immer wieder anprangern.9 Ja, die Wahrhaftigkeit ist ihm so zueigen, daß er sich von ihr besonders angezogen fühlt, wie die Begegnung mit Natanael durchblicken läßt; der Herr spart nicht mit Anerkennung für seinen zukünftigen Jünger: Da kommt ein echter Israelit, ein Mann ohne Falschheit.10

Wer in der Nachfolge des Meisters lebt, muß, ehrlich und aufrichtig, jede Täuschung fliehen und seinen Umgang mit Gott und seinen Mitmenschen auf Wahrhaftigkeit gründen.

Die Wahrheit im Innern zeigt sich durch das Zeugnis nach außen. Christus selbst versteht sich als Zeuge des Vaters: er redet von dem, was er weiß, und bezeugt das, was er gesehen hat.11 Die Apostel sollen seine Zeugen sein (...) bis an die Grenzen der Erde12. Die ersten Christen sind Zeugen Christi vor der Welt. Und auch wir verstehen uns so. Denn wie sollten Freunde und Kollegen an die Lehre, die wir ihnen vermitteln wollen, glauben können, wenn unser eigenes Leben nicht auf einer geraden passionierten Liebe zur Wahrheit gründet? Das Wort Christi gilt für jeden Christen in seiner Nachfolge: Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich von der Wahrheit Zeugnis ablege.13

In unserer Zeit ist viel von Taktieren die Rede, ein heikles Verhalten, sobald es die Wahrheit außer acht läßt, um etwa eine lukrative Position zu ergattern, sich materielle Vorteile zu verschaffen, eingegangene Bindungen stillschweigend aufzukündigen oder sich Nachteile zu ersparen. Dies verletzt die Wahrhaftigkeit und erschwert den Umgang mit dem Herrn, denn Jesus selbst sieht die Liebe zur Wahrheit als eine notwendige Voraussetzung für die innere Freiheit, die den Frieden bringt und die Nachfolge ermöglicht: Die Wahrheit wird euch befreien.14

Keine Wahrheitsfindung ohne Liebe zur Wahrheit, die nicht immer leicht ist, ist sie doch gelegentlich durch die Sünde, durch Leidenschaften, Stolz oder Habsucht vergiftet. Man ist dann versucht, sich mit der Unwahrheit - mit der Sünde - zu arrangieren, die - versteckt oder ganz offen - Vorteile vorschützt: mehr Ansehen, ein höheres Einkommen oder größere Einflußnahme. Demgegenüber gilt die klare Mahnung Jesu: Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen.

Wahrhaftigkeit besteht immer als lebendige Wahrhaftigkeit, in welche die anderen Elemente des Guten hineinwirken15. Damit die Wahrhaftigkeit Tugend ist, müssen zum Wahrheitswillen Liebe, Gerechtigkeit, Hochschätzung des Nächsten, Einfühlung in den Gesprächspartner und je nachdem auch Zivilcourage kommen. Das Amtsschweigen und die Wahrung der Intimsphäre haben ihre sorgfältig einzuhaltenden Spielregeln.

III. »Die Wahrheit im Sinn des redlichen Handelns und aufrichtigen Sprechens heißt Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit oder Freimut. Die Tugend der Aufrichtigkeit oder Wahrhaftigkeit besteht darin, daß man sich in seinen Handlungen als wahr erweist, in seinen Worten die Wahrheit sagt und sich vor Doppelzüngigkeit, Verstellung, Vortäuschung und Heuchelei hütet.«16

Wer sein Wort gibt, gibt es in gewisser Weise sich selbst und bindet sich aus dem Innersten seines Seins. Das Wort Treue gehört zur Mitte des Christseins, heißt doch ein Christ nicht von ungefähr fidelis, Getreuer: »Das Wort fidelis ist seit seiner Übernahme durch die christliche Gemeinde verwandt worden, um den durch die Taufe erlangten Charakter als Glied des Volkes Gottes auszudrücken.«17 Diese Treue wurzelt in Gott, der nach der Heiligen Schrift der Inbegriff der Treue und der Vertrauenswürdigkeit ist: Gott ist treu, er wird nicht zulassen, daß ihr über eure Kraft hinaus versucht werdet.18

»Man darf alles ..., sich nur nicht dabei erwischen lassen« ist nicht nur eine kabarettistische Pointe, sondern eine weitverbreitete Richtschnur im täglichen Handeln. Man ignoriert, daß im religiösen und im bürgerlichen Leben das gegebene Wort und die in Freiheit eingegangenen Bindungen zu halten sind. Als wäre »in Leben nach den Tugenden nur für Naivlinge oder Verklemmte, eine vielleicht wünschenswerte, aber schließlich unerreichbare Zielvorgabe, von der man sich bei der erstbesten Schwierigkeit dispensieren kann. Dagegen zeigt das Beispiel der Heiligen, daß es möglich ist, die Tugenden konsequent zu leben. In seiner Enzyklika Veritatis splendor scheint Papst Johannes Paul II. nicht den Extremfall christlicher Treue zu benennen, wenn er schreibt: »Als Bekräftigung der Unverbrüchlichkeit der sittlichen Ordnung kommen im Martyrium die Heiligkeit des Gesetzes Gottes und zugleich die Unantastbarkeit der persönlichen Würde des nach dem Abbild und Gleichnis Gottes geschaffenen Menschen zum Leuchten: Es ist eine Würde, die niemals, und sei es auch aus guter Absicht, herabgesetzt oder verstellt werden darf, wie auch immer die Schwierigkeiten aussehen mögen.«19

Der theoretische Wunsch, die Tugenden zu leben und die Sünde zu meiden, genügt nicht, er muß im Vertrauen auf die Gnade praktisch werden, auch dann, wenn es uns hart ankommt und scheinbar tausend Gründe für ein Nachgeben sprechen. »Wenn das Martyrium den Höhepunkt des christlichen Zeugnisses für die sittliche Wahrheit bildet, zu dem nur vergleichsweise wenige berufen sein können, so gibt es dennoch ein kohärentes Zeugnis, das alle Christen täglich zu geben bereit sein sollen, auch auf Kosten von Leiden und schweren Opfern.«20 Gemeint ist das Zeugnis im Alltag: in einer permissiven Atmosphäre zu bestehen, sich nicht von einer hedonistischen Lebenssicht anstecken zu lassen, bei der Erziehung der Kinder in einem Klima des bequemen Nachgebens persönliche Opfer und Nachteile nicht zu scheuen. Der Christ ist »angesichts der vielfältigen Schwierigkeiten, welche die Treue zur Unbedingtheit der sittlichen Ordnung auch unter den gewöhnlichsten Umständen verlangen kann, mit der im Gebet erflehten göttlichen Gnade zu mitunter heroischem Bemühen aufgerufen, wobei ihn die Tugend des Starkmutes stützen wird.«21 Hier paßt die Ermahnung des Herrn über das Haus, das auf Fels gebaut war und nicht einstürzte, als ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten22.

Für euch sei ein Ja ein Ja, ein Nein ein Nein. Unsere Mitmenschen sollen wissen, daß sie sich auf uns verlassen können, wenn wir einen Vertrag unterschreiben oder unser Wort geben.

Unsere Liebe Frau ist die Virgo fidelis, die getreue Jungfrau. Bitten wir sie, uns Wahrhaftigkeit und Treue im Alltag zu erwirken.

1 Mt 5,33-37. - 2 R.Guardini, Der Herr, Würzburg 1951, S.87. - 3 ebd. - 4 Katechismus der Katholischen Kirche, 2154. - 5 CIC, can 1199, 1. - 6 Jer 4,2. - 7 Joh 14,6. - 8 Joh 8,44. - 9 vgl. Mt 23,13-32. - 10 Joh 1,47. - 11 vgl. Joh 3,11. - 12 Apg 1,8. - 13 Joh 18,37. - 14 Joh 8,32. - 15 vgl. R.Guardini, Tugenden, Mainz 1987, S.22. - 16 Katechismus der Katholischen Kirche, 2468. - 17 A. del Portillo, Gläubige und Laien in der Kirche, Paderborn 1972, S.16. - 18 1 Kor 10,13. - 19 Johannes Paul II., Enz. Veritatis splendor, 92. - 20 ebd., 93. - 21 ebd. - 22 Mt 7,25.

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