OSTERZEIT
5. WOCHE - DIENSTAG
31
MEINEN
FRIEDEN GEBE ICH EUCH
Ein Gruß
von großer Tragweite.
Frieden von innen nach außen.
In der Gesellschaft.
I. Das
Evangelium der heutigen Messe bildet den Abschluß der ersten Abschiedsrede des
Herrn. Er hat seinen Jüngern das
neue
Gebot
gegeben, er hat ihnen den Weg zum Vater gewiesen und den Beistand, den Tröster,
verheißen. Von neuem sagt er ihnen, daß er fortgeht, diesmal aber - wie alles
zusammenfassend - verbindet er diese Ankündigung mit dem Wort vom Frieden:
Frieden
hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie ihn
die Welt gibt, gebe ich euch.
»Der Friede, von dem er spricht, bedeutet nicht irdisches Wohlergehen, meint
auch nicht den inneren Seelenfrieden, sondern bezeichnet das Heil, das Gott
allein schenken kann.«2 Deshalb kann der Herr ergänzen: In der Welt seid ihr in
Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt.3 Es ist, als sagte er
ihnen: sucht und erwartet nicht einen problemlosen Frieden, von außen kommend;
ich bin der, der ihn euch gibt, nicht die Welt; und ich gebe ihn euch als ein
Heilsgut, das von mir ausgeht.
Johannes
Chrysostomos mahnt seine Zuhörer: »Die Worte des Herrn gelten nicht bloß den
Aposteln, sondern auch den Geheiligten, die nach ihnen kommen. Suchen wir ihrer
Nachfolge würdig zu werden. (...) Halten wir es nicht für einen geringen
Verlust, einen solchen Frieden nicht zu erlangen (...). Wir müssen alles tun, um
seiner teilhaft zu werden, in der Familie wie in der Kirche.«4
Die
liturgische Zeit, in der wir stehen - zwischen Ostern und Pfingsten - begann mit
dem Friedensgruß:
Pax
vobis! Friede sei mit euch.
Es ist das unter den Juden übliche
,
das ursprünglich einen Zustand des Unversehrtseins, der inneren Harmonie, der
Sehnsucht des gespaltenen Menschen nach Ganzheit bezeichnete. Jesus, so dürfen
wir annehmen, hat seine Jünger oft mit diesem Wort begrüßt, doch am Abend des
Ostertages muß es die Jünger überdies wie die Zusicherung angekommen sein, daß
ihre Feigheit und ihr Versagen nichts an der Zuwendung des Herrn geändert haben.
Jetzt ist ihnen mit Jesu Gruß der Frieden wiedergeschenkt.
Die
Grußformel als Friedenswunsch hat sich unter den ersten Christen erhalten, wie
wir aus zahlreichen Inschriften der christlichen Frühzeit und besonders aus den
Apostelbriefen erfahren6.
Sie ist auch in die Liturgie eingegangen und kann uns verdeutlichen, wie
bedeutsam auch im Alltag ein sinnvoller Gruß für die Begegnung untereinander
ist. Was können wir jemandem Besseres wünschen als
Pax Christi, den
Frieden Christi? Natürlich bleibt ein oft gesprochenes Grußwort meistens hinter
dem zurück, was es in seiner vollen Bedeutung meint. Aber vielleicht entdecken
wir jetzt - betend -, daß unser Menschsein ganz entscheidend dadurch bestimmt
wird, daß wir untereinander Brüder und Schwestern sind: »Das ist der Friede.
Christus hat mit einem einzigen Wort diese höchst menschliche Bestimmung
prophetisch zusammengefaßt, als er zu den Menschen dieser Welt sprach: >Ihr alle
seid Brüder< (Mt
23,8). Und als er uns die tröstende und sonnenhelle Wahrheit der Vaterschaft
Gottes offenbarte, verlieh er der universalen menschlichen Brüderlichkeit ihren
Existenzgrund, ihre Fähigkeit, sich zu verwirklichen. (...) Das ist der Friede,
nämlich die einmütige, feste, freie und glückliche Brüderlichkeit der Menschen
untereinander.«7
Mancherorts ist ein »Grüß Gott« üblich. Aber auch dort, wo »Guten Tag« zur
Höflichkeitsformel geworden ist, läßt sich dieser Gruß mit einer Geste der
Offenheit, mit einem freundlichen Blick oder vielleicht sogar mit einem kurzen
Gebet - etwa zum = zur Höflichkeitsformel geworden ist, läßt sich dieser Gruß
mit einer Geste der Offenheit, mit einem freundlichen Blick oder vielleicht
sogar mit einem kurzen Gebet - etwa zum Schutzengel des Angesprochenen -
verbinden, glauben wir doch an das Wirken der Schutzengel des Angesprochenen -
verbinden, glauben wir doch an das Wirken der heiligen Engel.
In dem
Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem
Leib.
Papst Johannes Paul II. kommentiert diese Stelle: »Die frohe Überraschung
Elisabets zeigt, daß ein schlichter Gruß ein Geschenk sein kann, wenn er aus
einem von Gott erfüllten Herzen kommt. Wie oft kann das Dunkel der Einsamkeit,
das eine Seele bedrückt, vom Lichtstrahl eines Lächelns und eines freundlichen
Wortes erhellt werden!
Ein gutes
Wort ist leicht gesagt; doch bisweilen fällt es uns schwer, es auszusprechen.
Die Müdigkeit hindert uns, die Sorgen bringen uns davon ab, ein Gefühl der Kälte
und egoistischer Gleichgültigkeit hemmt uns. So kommt es, daß wir selbst an
Menschen, die wir kennen, vorbeigehen, ohne sie anzuschauen, ohne zu bemerken,
wie oft sie unter jenem zehrenden, zermürbenden Kummer leiden, der aus dem
Gefühl herrührt, nicht beachtet, übersehen zu werden. Ein herzliches Wort, eine
freundliche Geste genügen, und sogleich würde in ihnen etwas wiedererweckt; ein
Zeichen der Aufmerksamkeit und Freundlichkeit kann wie ein frischer Wind wirken
in der Abgeschlossenheit eines von Trauer und Niedergeschlagenheit heimgesuchten
Daseins. Der Gruß Mariens erfüllte das Herz der nicht mehr jungen Base Elisabet
mit Freude.«9
II. Der
Frieden ist eines der Hauptmerkmale der messianischen Zeit. Der erwartete
Messias ist
Fürst des
Friedens.
Der übliche Friedensgruß eines Israeliten erhält im Munde Jesu seinen tiefsten
Sinn, etwa wenn er zu der Sünderin oder zu der kranken Frau sagt:
Geh in
Frieden,
oder wenn er seine Jünger zu einer Mission des Friedens aussendet mit dem
Auftrag, wenn ihr ein Haus
betretet,
so sagt als erstes: Friede diesem Haus!12
Im Neuen
Testament ist Frieden
die
Frucht des Geistes
und das, wonach wir
voll
Eifer
streben sollen.
Der heilige Paulus fordert die Christen oft auf, den Frieden nach außen zu
wahren:
Lebt in
Frieden! Dann wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein.15
Hier
zeigt sich uns der Frieden als ein gemeinsames Gut. Aus verständlichen Gründen
ist das erste, woran wir beim Wort »Frieden« denken, die Welt und ihr Zustand.
Oft genug zeigt sie sich nicht, wie es in der Enzyklika Pacem in terris
heißt, als das »Ordnungsgefüge, das in der Wahrheit gegründet, nach den
Richtlinien der Gerechtigkeit erbaut, von lebendiger Liebe erfüllt ist und sich
schließlich in der Freiheit verwirklicht«16.
Die Worte
des Herrn, die wir heute betrachten, weisen auf eine Reihenfolge hin, die bei
ihm beginnt und zunächst ins eigene menschliche Innere führt. Er spricht von
einem Frieden, der von ihm ausgeht und den er uns gibt, das heißt in unser
Inneres einsenkt. Frieden ist zuerst ein innerer Zustand: Frucht des Strebens
nach Einklang mit dem, der uns erschaffen und erlöst hat. Frieden im Inneren
schließt das Streben nach Heiligkeit ein; mit anderen Worten, nach Einklang mit
dem Willen Gottes. Dies heißt konkret: Geist und Leib, Verstand, Wille und Gemüt
Gott zuzuwenden, zu kämpfen gegen die Selbstsucht, die uns innerlich spaltet,
wie gegen die Neigung zum Bösen und gegen die ungeordneten Leidenschaften.
Hierin gründet der Frieden, den wir dann weitergeben können: Wer Gott liebt, ist
wie ein Baum, der gute Früchte bringt. Eine dieser Früchte ist
der Friede
Gottes, der alles Verstehen übersteigt17:
»Wenn Gott zu dir kommt, spürst du die Wahrheit der Grußworte: Frieden gebe ich
euch ... Frieden hinterlasse ich euch ... Der Friede sei mit euch ... Und das
mitten in der Bedrängnis.«18
Auch das
Wort des heiligen Augustinus, Frieden sei die »Ruhe in der Ordnung«19, verweist
auf unser Verhältnis zu Gott. Die liebende Hinordnung auf Gott schließt den
Willen ein, die Sünde zu meiden und Christus als Mitte unserer ganzen Existenz
zu sehen. Erst dann ist das geordnete Verhältnis zu den Mitmenschen und der
Wunsch, in unseren Werken, Worten und Gedanken gerecht zu sein, fest begründet.
Wir erfassen dann den tieferen Sinn des alttestamentlichen Wortes
Opus iustitiae
pax, das Werk der Gerechtigkeit ist der Friede20:
»Dieses Leitwort ist der Innen- wie der Außenseite des Gemeinschaftslebens in
gleicher Weise zugewandt. Es kennt nicht die schneidende Alternative >Liebe oder
Recht<, sondern nur die schöpferische Verbindung >Liebe und Recht<«21.
Der
Frieden in uns soll sich auf die Familie und die Gesellschaft übertragen, so daß
nicht Ressentiments, Argwohn oder Intrigen die Atmosphäre prägen, sondern
gegenseitiges Verständnis. Bloßes Fehlen von Spannungen, Gezänk oder
Streitereien ist noch nicht Frieden. Frieden, das heißt, den anderen in all den
Facetten seiner Menschlichkeit anzunehmen. Ein Kennzeichen des Willens zum
Frieden ist, ob wir offen sind für die Anliegen der anderen - für ihre Freuden
und ihre Sorgen.
III. »Der
Friede auf Erden, nach dem alle Menschen zu allen Zeiten sehnlichst verlangten,
kann nur dann begründet und gesichert werden, wenn die von Gott gesetzte Ordnung
gewissenhaft beobachtet wird.«22 Dazu gehört die Achtung der Menschenwürde:
Jedem
menschlichen Zusammenleben, das gut geordnet und fruchtbar sein soll, muß das
Prinzip zugrunde liegen, daß jeder Mensch seinem Wesen nach Person ist. Er hat
eine Natur, die mit Vernunft und Willensfreiheit ausgestattet ist; er hat daher
aus sich Rechte und Pflichten, die unmittelbar und gleichzeitg aus seiner Natur
hervorgehen. Wie sie allgemein gültig und unverletzlich sind, können sie auch in
keiner Weise veräußert werden.
Wenn wir
die Würde der menschlichen Person nach den Offenbarungswahrheiten betrachten,
müssen wir sie noch viel höher einschätzen. Denn die Menschen sind ja durch das
Blut Jesu Christi erlöst, durch die himmlische Gnade Kinder und Freunde Gottes
geworden und zu Erben der ewigen Herrlichkeit eingesetzt.«23
Seit
jenen Tagen, da Jesus unter uns weilte, will er, daß wir durch unser Leben die
Botschaft von der Würde des Menschen und seiner Gotteskindschaft überall in der
Welt verbreiten. Dies ist ein Teil unseres persönlichen Zeugnisses als Christen:
zu wuchern mit dem Reichtum des Friedens Christi unter allen Menschen guten
Willens. Und das trotz unserer Unzulänglichkeiten, die viel zu offensichtlich
sind, als daß uns dies je ganz gelingen könnte. Und doch sollten wir immer
wieder versuchen, aus der Freude der Gotteskindschaft Leid und Ungemach
lächelnd, opfernd und gelassen anzunehmen. Ein konkreter Vorsatz dieser Zeit des
Gebetes könnte sein: »Niemand soll Traurigkeit oder Schmerz aus deinem Gesicht
herauslesen, wenn du durch das unsichtbare Opfer Christus in deiner Umwelt
gegenwärtig werden läßt: Kinder Gottes müssen immer Frieden und Freude
aussäen.«24
Er ist
unser Friede.
Im Frieden der Gotteskindschaft fest gegründet, werden wir von den Schwankungen
des Gefühls unabhängig, fähig also, gefühlsmäßigen Abneigungen oder auch eigenen
Schrullen keinen Raum zu geben, die das Zusammenleben erschweren könnten. Auch
sind wir besser gegen die Versuchung gefeit, durch Ironie, Härte im Urteilen,
böswillige Kritik oder üble Nachrede das menschliche Miteinander zu vergiften.
»Die Sprache ist darauf angelegt, die Gedanken des Herzens zum Ausdruck zu
bringen und Einheit zu schaffen. Wenn sie jedoch in vorgefaßten Schemata
gefangen ist, beeinflußt sie ihrerseits das Herz (...). Aus einem Herzen, das
für das höchste Gut des Friedens gewonnen worden ist, entspringen die
Bereitschaft zuzuhören und zu verstehen, die Achtung vor den anderen, die
Rücksichtnahme, die in Wirklichkeit Stärke bedeutet, und das Vertrauen.«26
Wir
bitten die Mutter Gottes, sie möge uns immer die Wege zum Frieden weisen.
»Unsere Liebe Frau ist die Königin des Friedens. Mit diesem Namen preist die
Kirche sie. Ist deine Seele aufgewühlt, droht Kummer in Familie oder Beruf,
kündigt sich Unheil an in der Gesellschaft oder unter den Völkern, dann bete zu
ihr: >Regina pacis, ora pro nobis!< - Königin des Friedens, bitte für uns!«27
Joh 14,27. -
Regensburger Neues Testament,
Bd.4 , Regensburg 1961, S.281. -
16,33. -
Johannes Chrysostomos,
Homilien
über das Matthäusevangelium,
32,6. -
20,19-21. -
vgl.
1,3;
1,7 usw. -
Paul VI.,
,
1.1.1975. -
1,44. -
Johannes Paul II.,
,
11.2.1981. -
vgl.
9,5-7. -
7,50; 8,48. -
10,6. -
5,22. -
vgl.
12,14. -
13,11. -
Johannes XXIII., Enz.
Pacem in
terris,
11.4.1963, 167. -
4,7. -
J.Escrivá,
,
258. -
Augustinus,
Gottesstaat,
19,3,1. -
32,17. -
Pius XII,
Weihnachtsbotschaft 1942.
-
Johannes XXIII., a.a.O., 1. -
ebd., 9. -
J.Escrivá,
Die Spur
des Sämanns,
Nr.59. -
2,14. -
Johannes Paul II.,
Botschaft
zum Weltfriedenstag 1979,
8.12.1978. -
J.Escrivá,
Die Spur
des Sämanns,
Nr.874.