OSTERZEIT
6. WOCHE - MITTWOCH
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FRÜCHTE
DES APOSTOLATS
Das
Zeugnis des Paulus in Athen.
Aussaat und Ernte. Geduld: die Tugend des Sämanns.
Die Frau als Trägerin der Evangelisierung.
I. Die
Lesung der heiligen Messe zeigt uns, wie lebendig und ansprechend der heilige
Paulus die Frohbotschaft Menschen verkündet, die ganz außerhalb des Glaubens
leben, die der Verfasser der Apostelgeschichte so charakterisiert:
Alle
Athener und die Fremden dort taten nichts lieber, als die letzten Neuigkeiten zu
erzählen oder zu hören.
Paulus war sich sicher, daß die Lehre, die er auf dem Areopag von Athen
verkündet, die Athener schockieren würde; dennoch spart er die grundlegenden
Wahrheiten nicht aus, versucht nicht, sich soweit »anzupassen« daß er auf Kosten
der Lehre »verständlicher«»erfolgreicher« »zeitgemäßer« erscheint. Als sie von
der Auferstehung der Toten hörten, spotteten die einen, andere aber sagten:
Darüber wollen wir dich ein andermal
hören.2
Aber Paulus verläßt nicht der Mut.
Was
bewegte den Apostel? Papst Benedikt XV. faßte in einer Enzyklika 1917 die
Grundhaltung des Apostels so zusammen: »Dahin wirken, daß Jesus Christus unter
den Menschen mehr und mehr bekannt sei, und zwar dank einer Kenntnis, die nicht
nur auf den Glauben, sondern auf das Leben abzielte, das ist es, wofür er die
ganze Kraft seines Apostelherzens einsetzte. Deshalb handelte er von allen
Glaubenswahrheiten und Sittengeboten Christi, selbst von den anspruchsvolleren;
und zwar sprach er ohne die geringste Zurückhaltung und Abschwächung von der
Demut, der Selbstverleugnung, der Keuschheit, der Geringschätzung irdischer
Güter, vom Gehorsam, von der Nachsicht gegenüber den Feinden und von ähnlichen
Gegenständen. Und er scheute sich auch nicht, offen auszusprechen, daß man
zwischen Gott und Belial seinen Dienstherrn wählen müsse, und daß es unmöglich
sei, beiden zu dienen; daß alle nach dem Tod ein strenges Gericht zu erwarten
haben; daß es bei Gott keine Abfindung gibt; daß entweder das ewige Leben in
Aussicht stehe für jene, die das ganze Gesetz beobachten, oder die ewige
Verdammung zu gewärtigen sei, wenn man aus Nachgiebigkeit gegenüber den
Leidenschaften die Pflicht vernachlässige. Und niemals glaubte >der Prediger der
Wahrheit< Gegenstände dieser Art übergehen zu müssen, weil sie angesichts des
damaligen Sittenzerfalls seinen Zuhörern allzu hart erscheinen konnten.«3
Wer von
Christus Zeugnis gibt, muß damit rechnen, als unzeitgemäß bespöttelt zu werden.
Die Mühe, gegen den Strom zu schwimmen, und der Stachel der Erfolglosigkeit
könnten ihn dazu verleiten, das Fordernde der Heilsbotschaft zu verharmlosen und
Begriffe wie Sühne, Opfer und Abtötung auszusparen, auf Gerechtigkeitssinn im
Geschäftsleben und im Beruf zu pfeifen, das Offensein der Eheleute für das Kind
und den Wert der standesgemäßen Keuschheit zu verschweigen. Aber: »Verschreibt
denn ein Arzt seinem Patienten nutzlose Heilmittel, weil dieser die
nutzbringenden verabscheut?«4
Unsere
heutige Welt zeigt ein gewandeltes Wertebewußtsein und eine wachsende
Gleichgültigkeit gegenüber Glauben und Kirche. Deshalb ist gerade heute ein
unerschrockenes und gewinnendes Zeugnis besonders nötig. »Für den modernen
Menschen kreist sehr vieles um das eigene Ich und seine Betroffenheit. Den
Zeitgenossen scheint dies ganz normal zu sein, und doch ist eine solche Sicht
keineswegs selbstverständlich. In der Bibel ist der einzelne in seiner Situation
zwar durchaus auch angesprochen. Aber das wandernde Volk Gottes braucht im Gang
der Zeiten auch das verläßliche Glaubensbekenntnis der Kirche. Dieses muß gewiß
immer wieder neu ausgelegt und frisch übersetzt werden, aber man darf es nicht
mit dem Argument beiseite schieben, es entspräche nicht mehr den heutigen
Lebenserfahrungen und Bedürfnissen. Ohne Bekenntnis und Lehre gibt es keine
Kirche. Das >Credo< der Kirche war über fast zwei Jahrtausende ein
unentbehrlicher Wegweiser und Maßstab - wie dürften wir uns einbilden, darauf
verzichten zu können?«5
In einem
Text des Zweiten Vatikanischen Konzils heißt es: »Allen Christen ist also die
ehrenvolle Last auferlegt, mitzuwirken, daß die göttliche Heilsbotschaft überall
auf Erden von allen Menschen erkannt und angenommen wird.«6 Unser apostolisches
Bemühen muß sich zuallererst an jene richten, die in unserer Nähe sind.
II.
Paulus verließ Athen in Richtung Korinth, eine nicht minder schwierige Stadt,
»eine Weltstadt ersten Ranges, von internationaler Prägung, mit reichen
Verkehrs- und Handelseinrichtungen, wirtschaftlich wie kulturell Austauschplatz
zwischen Osten und Westen, eine Stadt der Lebesucht, der Laster, der sozialen
Gegensätze«7. Er soll erfahren, daß der Herr die Arbeit fruchtbar werden läßt,
wann und wie er will. Der Kommunionvers der heutigen Messe erinnert uns daran:
Ich habe euch erwählt und euch dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und
Frucht bringt, und daß eure Frucht bl8
Die
apostolische Aufgabe ist manchmal Aussaat - das Korn in die Erde senken,
ungeachtet seines Verschwindens -, manchmal Ernte: es zeigen sich die Früchte.
Vielleicht haben andere den Samen ausgestreut: durch ihr Wort oder ihr Leiden
vom Krankenbett aus oder mit einem unscheinbaren Dienst. Wie auch immer, es
gilt, sich an die Worte des Herrn zu erinnern,
daß sich
der Sämann und der Schnitter gemeinsam freuen. Denn hier hat das Sprichwort
recht: Einer sät, und ein anderer erntet.9
Gerade
dann, wenn die eigene Arbeit unfruchtbar zu sein scheint, sollten uns diese
Worte des Herrn froh stimmen - die Freude jener ahnend, die einmal die Ernte
einfahren werden. Freilich, leicht ist es nicht, unsere landläufigen Maßstäbe
abzulegen und der Versuchung zu widerstehen, den Wert unserer Bemühungen an
greifbaren Ergebnissen zu messen. Aus der Kraft des Gebetes aber kann es uns
gelingen, auch hier dem Herrn zu vertrauen und weitsichtig den Samen
auszustreuen.
»Unsere
Sendung ist immer und überall auf die Zukunft ausgerichtet. Sei es auf die
Zukunft, deren wir im Glauben gewiß sind: also die eschatologische; sei es auf
die Zukunft, die, menschlich gesehen, unsicher ist. Denken wir an jene, die als
erste den europäischen Kontinent als Künder der Frohbotschaft betreten haben,
wie Petrus und Paulus. Denken wir an jene, die im Lauf der Geschichte Europas
die Wege zu neuen Völkern geebnet haben, die Augustinus oder Bonifatius oder das
Brüderpaar aus Saloniki: Cyrillus und Methodius. Nicht einmal sie waren der
menschlichen Zukunft ihrer Mission und ihres eigenen Schicksals sicher.
Mächtiger aber als diese menschliche Ungewißheit waren Glaube und Hoffnung.
Mächtiger war die Liebe Christi, die sie >drängte< (vgl.
2 Kor 5,14). In diesem
Glauben, dieser Hoffnung und dieser Liebe tat sich das Wirken des Geistes kund:
Auch wir müssen zu gefügigen und wirksamen Werkzeugen seines Wirkens in unserer
Zeit werden!«10
Wenn
ausbleibender sichtbarer Erfolg uns resignieren läßt, zeugt das oft von
mangelnder Lauterkeit der Absicht. Wollen wir für den Herrn arbeiten, oder
suchen wir nur die eigene Selbstbestätigung? Doch nicht nur Resignation, auch
Übereilung kann zur Versuchung werden. Warum denn warten, bis die Blüte sich
öffnet, statt nachzuhelfen? Nicht nur Säen und Pflegen ist unsere Aufgabe,
sondern auch geduldiges Wartenkönnen, mit langem Atem, den Menschen Zeit
lassend. Der Herr versteht es, Tage, Wochen, Monate, Jahre auf den inneren Ruck,
die Umkehr des Sünders zu warten. Die Seelen brauchen Zeit, die zu bemessen wir
nicht in der Lage sind. Kümmern wir uns also um eine gute Aussaat und warten wir
in Geduld.
III. Der
Predigt des Paulus während seines Aufenthalts in Athen verdankt sich die erste
christliche Gemeinde in jener Stadt:
Einige
Männer aber schlossen sich ihnen an und wurden gläubig, unter ihnen auch
Dionysius, der Areopagit, außerdem eine Frau namens Damaris und noch andere mit
ihnen.11
Wir
kennen den Namen der Frau, die sich zum Glauben bekehrte:
Sie ist eine der zahlreichen Frauengestalten, die uns in der Apostelgeschichte
begegnen und zeigen, daß die Verkündigung des Evangeliums allen gilt. Wie der
Herr, so verkündeten die Apostel - trotz der Vorurteile ihrer Zeit - die Frohe
Botschaft allen, Männern wie Frauen.
Auch am
Anfang der Evangelisierung Europas stand eine Frau, wie Lukas uns überliefert.
Von
wissen wir, daß sie
eine
Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira
war:
Der Herr
öffnete ihr das Herz, so daß sie den Worten des Paulus aufmerksam lauschte. Sie
gewann alle, die zu ihrem Haus gehörten,
für den Glauben. Einst hatte die Samariterin, die am Brunnen von Sychar die
Botschaft Christi hörte, sie als erste unter den Bewohnern ihrer Stadt
verbreitet.13
Das
Evangelium zeigt uns, wie treu Frauen dem Herrn folgten und dienten. Sie stehen
unter dem Kreuz, sie sind die ersten, die zum Grab gehen und die Kunde von der
Auferstehung weitergeben. Paulus lobt ausdrücklich einige Frauen für ihre
Mitarbeit beim Werk der Evangelisierung.
Damals
wie heute spielt die Frau eine wichtige Rolle bei der Bewahrung und Weitergabe
des Glaubens. »Die Frau ist dazu berufen, in Familie, Gesellschaft und Kirche
etwas hineinzutragen, das nur ihr eigen ist und das nur sie zu geben vermag:
feinfühlige Umsicht, unermüdliche Großzügigkeit, Liebe für das Konkrete,
Scharfsinn, Einfühlungsvermögen, Ausdauer und eine tiefe, schlichte
Frömmigkeit.«14
Das
Engagement und das Zeugnis der Frau sind für die Kirche unersetzlich. Denn »auf
der Grundlage des ewigen Planes Gottes ist die Frau diejenige, in der die
Ordnung der Liebe in der geschaffenen Welt der Personen das Erdreich für ihr
erstes Wurzelfassen findet. (...) Die Würde der Frau ist eng verbunden mit der
Liebe, die sie gerade in ihrer Weiblichkeit empfängt, und ebenso mit der Liebe,
die sie ihrerseits schenkt. So wird die Wahrheit über die Person und über die
Liebe bestätigt.«15
Maria ist
uns auch hier Wegweisung. Die Mariensäule, die 1638 in der furchtbaren
Bedrängnis des Dreißigjährigen Krieges im Herzen Münchens errichtet wurde,
»sollte nicht nur die Mitte dieser Stadt sein, sondern die Mitte des ganzen
Landes, und in der Tat werden noch heute alle Entfernungen bei uns von diesem
Punkt aus gemessen; Maria ist der stille Mittelpunkt aller unserer Straßen
geblieben.
Das Bild
der Mutter des Herrn gehört zur Herzmitte der europäischen Kultur. Es gehört zur
Herzmitte unseres Glaubens. Vor der Mutter verstehen wir uns alle; vor ihr
erkennen wir uns alle als Kinder. Von ihr lernen wir Vertrauen; mit ihr lernen
wir glauben und beten.«16 Von ihr erbitten wir, sie möge in unseren Familien, in
der Gesellschaft, in der Kirche Leitstern unseres Weges zu ihrem Sohn bleiben.
17,21. -
17,32. -
Benedikt XV., Enz.
Humani
generis,
15.6.1917. -
ebd. -
K.Lehmann,
Hirtenwort zur Österlichen Bußzeit 1992,
4.3.92. -
II.Vat.Konz., Dekret
Apostolicam actuositatem,
3. -
Echter-Bibel,
Die
Apostelgeschichte,
Würzburg 1951, S.68. -
15,16. -
4,36-37. -
Johannes Paul II.,
,
20.6.1979. -
17,34. -
16,14. -
vgl.
4,1ff.. -
Gespräche
mit Msgr.Escrivá de Balaguer,
87. -
Johannes Paul II., Apost. Schreiben
Mulieris
dignitatem,
15.8.1988, 29-30. -
J.Kard.Ratzinger,
Christlicher Glaube und Europa,
München 1981, S.17.